Zum GWUP-Streit über „Woke“

Linke Identitätspolitik und Intoleranz

Zum GWUP-Streit über „Woke“

Foto: Pixabay.com / GDJ

Aktuell streiten sich einige Mitglieder der GWUP (gemeinnützige Organisation für Wissenschaftsvermittlung, in der ich auch Mitglied bin) über den Umgang mit „Woke“. Und das leider zum Teil ziemlich öffentlich. Zunächst einmal ist es nicht meine Schuld. Echt!

Es gab vor über einem Jahrzehnt einen Streit darüber, ob die GWUP auch Religionen kritisieren sollte oder ob diese normalerweise keine wissenschaftlich prüfbaren Behauptungen aufstellen. Ich war damals in meiner antitheistischen Phase der Auffassung, dass sie eigentlich auch Religionen kritisch untersuchen müsste. Dieser Streit war damals … so ein bisschen auch meine Schuld. Wenn auch nicht zu dem Ausmaß, wie manche glaubten. Aber den aktuellen habe ich nicht angestoßen.

Es ist nämlich so, dass linke Identitätspolitik aufgrund der Intoleranz vieler Anhänger und einigen unwissenschaftlichen Veröffentlichungen der „Studies“ genannten Universitätsfächer richtig vielen Wissenschaftlern und Philosophen auf den Keks geht inzwischen. Sie brauchen keine Intellektuellen, die sie darauf hinweisen.

Meine Position zu „Woke“

Meine eigene Position dazu ist nuanciert. Mit manchen Dingen haben die Woke-Leute recht und mit anderen unrecht. Diskriminierung ist falsch, aber Tribalismus auch. Die Ungerechtigkeiten der Vergangenheit sollte man aufarbeiten, aber sie nicht auf die Gegenwart projizieren. Die sprachliche Sichtbarmachung von Frauen ist richtig, aber vielleicht nicht durch bestimmte Formen von Gendern (die wiederum Menschen ausschließen). Andere Arten, die Welt zu erfahren, sind legitim, aber es gibt einen Unterschied zwischen Wissenschaft und Aberglauben. Wissenschaft ist ein universeller, kulturübergreifender Prozess und keine eurozentrisch-kolonialistische Angelegenheit des weißen Mannes.

Bestimmte Auffassungen sind schrecklich, aber man sollte sie öffentlich debattieren und widerlegen dürfen. Die Menschen aus anderen Kulturen sollte man achten, aber nicht diejenigen ihrer Praktiken, die gegen Menschenrechte verstoßen. Wir können viel von anderen lernen, aber es gibt auch etwas, was man von westlichen Gesellschaften lernen kann.

Übrigens denke ich heute nicht mehr, dass die GWUP Religionen normalerweise thematisieren müsste, weil sie eher in den Bereich Metaphysik fallen, was kein wissenschaftliches Thema ist.

Ich bin so moderat geworden, dass es einfach keinen Spaß mehr macht.

Auf der Habenseite kann ich nun ausgewogene Stellungnahmen schreiben. Meine 2 Cents zum Thema GWUP und Woke fand viel Anklang, darunter seitens des GWUP-Vorstands.

Einige wenige Mitglieder, die sehr „woke“ sind, möchten, dass die GWUP keine neuen Mitglieder mehr aufnimmt, die nicht „woke“ sind. Ebenso versuchen sie die Kritik an „Woke“ zu unterbinden, indem sie diese pauschal als „rechts“ einordnen, was einfach nicht stimmt (und außerdem irrelevant ist, denn die GWUP schreibt ihren Mitglieder keine politischen Positionen vor). Es stimmt zwar, dass Reaktionäre „Woke“ auf ihre übliche dümmliche Art kritisieren, aber es gibt auch viel Kritik an linker Identitätspolitik seitens Marxisten, Liberalen, von Moderaten in der Mitte und auch solche Kritik, die rein wissenschaftlich motiviert ist.

Die Aufklärung gemeinsam verteidigen

Insgesamt muss ich dieser Tage häufig auf die Grundlagen aufgeklärten Denkens hinweisen. Wissenschaft ist gut. Philosophie ist gut. Es gilt Weltanschauungsfreiheit. Meinungsfreiheit ist gut. Demokratie ist gut.

Vermutlich, weil wir im Fake-Zeitalter leben. Die Leute orientieren sich am Fake-Leben von Instagram-Influencern, „bilden“ sich mit den Fake-Infos in TikTok-Channels, lesen statt Nachrichten Fake-News von russischen Bots und zu den Fake-Generatoren kommen nun auch noch KI-Chatbots hinzu. Die automatisieren die Fake-Produktion.

Insofern wird es bedeutender, Dinge wie Wissenschaft, Philosophie und Demokratie wieder grundsätzlich zu erklären und zu verteidigen. Es geht an die Substanz der Aufklärung. Vielleicht ist das ein gutes Motiv, dass wir uns nicht über weltanschauliche Differenzen streiten sollten. Es gibt Wichtigeres zu tun für die verbliebenen Aufklärer.

Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Philosophie-Blog Feuerbringer.

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