Eine Geschichte der Theorie der Plattentektonik (Teil 1/7)

2012 war in der Geologie ein doppeltes Jubiläumsjahr: Einhundert Jahre zuvor wurde die Kontinentaldriftthese durch Alfred Wegener zum ersten Mal wissenschaftlich fundiert.

Eine Geschichte der Theorie der Plattentektonik (Teil 1/7)

Quelle: The Library of Congress

Die Erkenntnis, dass die Oberfläche der Erde in Platten zerfällt, die sich allmählich gegen­einander verschieben, gehört seitdem zu den bedeutendsten Mosaiksteinen des wissenschaftlichen Weltbildes. Ohne dies Wissen kann nicht verstanden werden, wie Gebirge, Erdbeben und die meis­ten Vulkane entstehen. Der Weg, der zur heutigen Theorie führte, war allerdings lang und kurven­reich.

Teil 1. Sintflutliche Modelle

Schon früh, als im 16. und 17. Jahrhundert die ersten halbwegs genauen Weltkarten entstanden, be­gann einigen Menschen aufzufallen, wie gut die Küstenlinien einiger Erdteile zusammenpassten, insbesondere die Ostküste Südamerikas und die Westküste Afrikas. Der zur Zeit älteste bekannte schriftliche Beleg stammt aus dem Jahr 1596, von dem flämischen Kartographen Abraham Ortelius (1527-1598). Er nahm an, die Kontinente seien durch Erdbeben und Fluten auseinandergerissen worden, und notierte in seiner Enzyklopädie „Thesaurus Geographicus":

"Die Spuren des Bruches offenbaren sich, wenn man eine Weltkarte zur Hand nimmt und sorgfältig die Küstenlinien der drei [Anm.: Kontinente – Amerika, Afrika, Europa] betrachtet."

Vierhundert Jahre später ist diese simple Beobachtung noch immer der beste Weg, einen Neuling an das Phänomen der Plattentektonik heranzuführen. Sie steht zu Beginn von nahezu jedem Kinder- und Lehrbuch und populärwissenschaftlichen Werk zu diesem Thema. Und tatsächlich stand sie eben auch historisch am Anfang.

Ein Philosoph

Anstelle von Ortelius wird manchmal der englische Philosoph und Staatsmann Sir Francis Bacon (1561-1626) dafür geehrt, als Erster auf das globale „Puzzlespiel“ hingewiesen zu haben. Dies stützt sich auf eine Passage in seinem philosophischen Hauptwerk (und Meilenstein in der Entwicklung der Wissenschaftstheorie) „Novum Organum“ von 1620:

"Nehme, zum Beispiel, Afrika und die Region Peru mit der Küste bis zur Magellanstraße. Diese zwei Regionen haben ähnliche Landengen und ähnliche Kaps, und das kann kein Zufall sein."

Es ist allerdings umstritten, ob Francis Bacon sich auf das Ineinanderpassen der Küsten bei­derseits des Atlantiks bezog, oder auf die Ähnlichkeit der beiden Westküsten – der Atlantikküste Afrikas und der Pazifikküste Südamerikas. Der Text stützt eher letztere Deutung, und in jedem Fall versuchte Bacon nicht, das Phänomen zu erklären.

Ein Theologe

Bereits Ortelius dachte bei „Erdbeben und Fluten“ möglicherweise an die biblische Sintflut. In einer Zeit, als diese allgemein als real angesehen wurde, muss die Assoziation nahe gelegen haben. Sicher ist, dass spätere Autoren die Sintflut zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen nahmen, und damit bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein die Theorienbildung prägten.

Einer von ihnen und vielleicht der Erste war der französische Priester François Placet (keine Le­bensdaten gefunden) im Jahr 1658, mit der Schrift „Das Auseinanderbrechen großer und kleiner Welten, oder wie sich zeigt, dass Amerika vor der Sintflut nicht von den anderen Teilen der Welt ge­trennt gewesen.“ Ihm zufolge hatte Amerika einst eine zusammenhängende Landmasse mit Afrika und Europa gebildet, die bei der Sintflut zerrissen wurde. Dadurch sei der Atlantik entstanden – und Atlantis untergegangen.

Weit größeren Einfluss auf die Verbreitung der Fluttheorie hatte allerdings der englische Theologe Thomas Burnet (ca. 1635-1715). In „Die heilige Theorie von der Erde“, das von 1681 bis 1690 auf Englisch und Latein erschien, stellte er sich riesige wassergefüllte Kavernen im Erdinnern vor, die sich bei Entstehung der Erde gebildet hatten. Er war der Ansicht, die Wassermenge in den Ozeanen könne allein für die Sintflut nicht ausreichend gewesen sein, und wollte auch nicht akzeptieren, dass Gott Wasser speziell zu diesem Zweck geschaffen und nachher wieder hatte verschwinden lassen. Die Sintflut sei vielmehr beim Einbruch der Erdoberfläche über den Kavernen und Verdrängung des darin enthaltenen Wassers entstanden, welches nachher erneut im Untergrund verschwand. Bei die­ser Katastrophe habe die Erdoberfläche ihre heutige Form angenommen, die er als „gigantische und widerliche Ruine“ einer zuvor makellos gleichmäßigen Erde bezeichnete. Zum Beweis seiner Theo­rie führte er entsprechend ausgelegte Bibelzitate an.

Solche Gedankenspiele erscheinen aus heutiger Sicht eher wissenschaftlichsfeindlich, aber in ihrer Zeit waren sie gerade ein Hinweis, dass das bisherige religiöse Weltbild im Umbruch stand. Burnet suchte nach einer rationalen Erklärung, einem plausiblen physikalischen Prozess für die Sintflut. Dass er sich Gedanken macht, wo das Wasser hergekommen sein mag, zeigt, dass er logi­sche Probleme mit dem biblischen Bericht sieht, und die Notwendigkeit, diesen mit den Naturgeset­zen vereinbar zu halten. Burnet ist damit ein sehr früher Vertreter der ehrwürdigen, aber letztlich fruchtlosen Tradition unter Theologen, eine Harmonie zwischen Wissenschaft und Religion herstel­len zu wollen. Zu seiner Zeit war das geradezu häretisch.

Ein Staatsmann

„Die heilige Theorie von der Erde“ wurde ein früher Klassiker der Geologie und machte ein breites Publikum mit der Fluttheorie vertraut. Im Laufe des 18. Jahrhunderts, besonders dessen zweiter Hälfte, entwickelte sich die Geologie dann zu einer echten Wissenschaft (und einem beliebten Hob­by des gebildeten Bürgertums). Während Burnet noch vom Sessel aus philosophiert hatte, waren seine Nachfolger richtige Geologen: Menschen, die ins Feld hinausgehen und versuchen, das Beob­achtete zu erklären.

Der rapide Fortschritt in der wissenschaftlichen Arbeitsweise, und welche Art von Schlußfolgerungen sie hundert Jahre nach Erscheinen der „heiligen Theorie“ bereits ermöglichte, zeigt sich sehr deutlich in der folgenden Äußerung Benjamin Franklins (1706-1790). Im Jahr 1782 schrieb er in einem Brief:

"Solche Veränderungen in den äußeren Bereichen der Erde schienen mir unwahrscheinlich zu sein, wenn die Erde bis zum Mittelpunkt fest wäre. Ich stellte mir daher vor, dass die inneren Be­reiche eine Flüssigkeit von weitaus höherer Dichte und höherem spezifischen Gewicht sein könnten als irgendeine der festen Substanzen, die wir kennen, und dass deshalb die äußeren Bereiche auf oder in der Flüssigkeit schwimmen. Damit wäre die Oberfläche der Erde eine Schale, die durch die heftigen Bewegungen der Flüssigkeit, auf der sie schwimmt, zerbrechen und in Unordnung geraten kann …“ (Franklin to Abbé Jean-Louis Giraud Soulavie, Sept. 22, 1782. Übersetzung: Anonym).

Franklin hatte die Gegend um die englische Stadt Derby untersucht und fossile Muscheln im Hoch­land gefunden, weit oberhalb des Meeresspiegels. Da er außerdem von Kohlegruben wußte, deren fossile Pflanzenreste sich wiederum weit unterhalb des Meeresspiegels fanden, nahm er an, es sei in England zu starken vertikalen Bewegungen der Erde gekommen. Ob dies im konkreten Fall wirk­lich zutraf, sei dahingestellt (die Formation mit den Muscheln könnte auch einfach bei einem höhe­ren Stand des Meeresspiegels abgelagert worden sein), sicher ist aber, dass es in sehr vielen gleichartigen Fällen die richtige Antwort ist.

Meeresfossilien, die sich teilweise in hohem Gelände finden, waren keineswegs eine Neuig­keit. Bereits Da Vinci hatte diese Beobachtung gemacht. Aber Franklins rein intuitive Vermutung kommt erstaunlich nahe an das heutige Modell der Erde heran. Wir wissen heute, dass die Erdober­fläche tatsächlich eine dünne Schale ist, die auf einem dichteren, fließfähigen (aber nicht flüssigen!) Material schwimmt, nämlich dem Erdmantel.

Obwohl Franklin selbst offenbar keinen großen Einfluss auf die damalige Fachwelt hatte, behaupte­te sich die These von einer auf Flüssigkeit schwimmenden Erdkruste in anderen Formulierungen (andere Autoren nahmen Magma als Flüssigkeit an) bis ins späte 19. Jahrhundert, wo sie verworfen wurde. (Ausführlicher in Teil 3.)

Auch vertikale Bewegungen waren bald allgemein akzeptiert. Das Konzept hat zum Beispiel eine zentrale Stellung im 1788 erschienenen Lehrbuch „Theorie der Erde“ des schottischen Geolo­gen James Hutton (1726-1797), das man als Gründungsdokument der Geologie bezeichnen könnte. Obwohl also sehr früh als Fakt anerkannt, wurden die nachweislichen Hebungen und Senkungen der Erdkruste zunächst nicht mit Kontinentaldrift in Verbindung gebracht.

Ein Forschungsreisender

Ein grundlegendes direktes Indiz, das Erste frische seit Abraham Ortelius, war stattdessen die Beob­achtung, dass nicht allein die Küstenlinien Afrikas und Südamerikas beiderseits des Atlantiks zu­sammenpassen, sondern auch deren Geologie. Zum ersten Mal wies wohl Alexander von Humboldt (1769-1859) darauf hin, der die Ähnlichkeit während seiner Südamerikaexpedition von 1799-1804 bemerkte: Das brasilianische Hochland findet seine Fortsetzung im Hochland des Kongo, das Ama­zonasbecken ein Gegenstück im Tiefland Guineas, und verschiedene Gebirgszüge scheinen den Ozean zu überqueren, um sich auf der anderen Seite fortzusetzen.

Im Jahr 1801 behauptete von Humboldt in einer Abhandlung über die Geologie Südameri­kas: „Was wir den Atlantischen Ozean nennen, ist nichts als ein durch die Kraft des Wassers ausge­höhltes Tal."

Hiermit nahm er ein Konzept vorweg, das künftig eine wichtige Rolle innerhalb der Kontraktionstheorie, des direkten Vorläufers und Konkurrenten der Theorie der Plattentektonik, spielen sollte: Die Idee, dass Teile der Ozeane zwischen den heutigen Kontinenten einmal festes Land ge­wesen seien.

Ein Reaktionär

Auch die Paläontologie lieferte Belege, dass die drei Kontinente einmal verbunden gewesen waren – entweder direkt, oder durch eine untergegangene Landbrücke. 1858 z.B. veröffentlichte der fran­zösische Geograph Antonio Snider-Pellegrini (1802-1885) das Buch „Die Schöpfung und ihre Mys­terien enthüllt“. Er verwies auf Pflanzenfossilien identischer Arten in den Kohleflözen Nordameri­kas und Europas – Pflanzen, die den Atlantik in seiner modernen Größe nicht überqueren könnten. Snider-Pellegrini nahm ein Auseinanderbrechen an und machte die Sintflut dafür verantwortlich. Sein Buch enthält die wohl erste Kartenrekonstruktion, die Afrika und Südamerika vereint zeigt.

Die Erdoberfläche vor und nach der Sintflut nach Snider-Pellegrini (1858).

Pangaea (Ausschnitt) im Trias. Fossilien identischer Arten auf heute getrennten Kontinenten bilden zusammenhängende Verbreitungsgebiete, zieht man Konti­nentalverschiebung in Betracht. Quelle: USGS

Progressive

Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich in der Geologie das Prinzip des Aktualismus durch, im späten 18. Jahrhundert von James Hutton formuliert und nach dessen Tod besonders durch den Engländer Charles Lyell (1797-1875) verfochten. Es löste den Kataklysmus ab, demzufolge die Erdoberfläche innerhalb kurzer Zeiträume von plötzlichen Katastrophen gestaltet wird. Gemäß des Aktualismus sind dagegen alle geologischen Erscheinungen ein Ergebnis von Prozessen, die auch in der Gegen­wart ablaufen. Wird etwa heute an einem Fluss beobachtet, dass er sich langsam in seinen Unter­grund einschneidet, kann davon ausgegangen werden, dass die Schlucht, in der er verläuft, auf die­selbe Weise entstanden ist, auch wenn es Millionen Jahre gedauert haben mag.

Das aktualistische Prinzip – dass geologische Prozesse sich vor hunderten von Jahrmillionen nicht anders abspielten als in der Gegenwart – ist noch heute das Kernstück aller geologischen For­schung, von Ausnahmen wie z.B. Asteroiden abgesehen. Seine Etablierung trug unter anderem dazu bei, die wortwörtliche Auslegung der Bibel in Zweifel zu ziehen, nach welcher die Erde gerade eini­ge tausend Jahre alt war.

Der schon begonnene und sich beschleunigende Rückzug der Bibel aus der Wissenschaft, der im Zuge dieses und anderer Schläge erfolgte, führte im 19. Jahrhundert zur Bildung neuer erd­historischer Theorien neben der Sintflutlehre. Diese lassen sich in zwei Lager trennen: Ein Mobilis­tisches (die Kontinente haben sich verschoben bzw. verschieben sich noch immer) und ein Fixisti­sches (die Kontinente sind ortsfest und sind es immer gewesen). Der als Erstes auftretende Fixismus wurde zur etablierten, der Mobilismus zur Meinung von Außenseitern.

Außenseiter

Einer der ersten „unchristlichen“ Mobilisten (falls man Franklin außen vor lässt), der nicht mehr die Sintflut als treibende Kraft ansah und zudem davon ausging, dass die Verschiebung nach wie vor andauerte, war Élisée Reclus (1830-1905), ein französischer Geograph (und politischer Anarchist, der unter anderem für die Pariser Kommune kämpfte – das ist irrelevant, zeigt aber, dass er keine Schwierigkeit mit radikalen Ideen hatte).

Reclus nahm Wegeners Konzept eines ehemaligen Superkontinents, der alle heutigen Konti­nente in sich vereinte – und welchen wir, Wegener folgend, heute als Pangaea bezeichnen – um vierzig Jahre vorweg. Die schon von Snider-Pellegrini angeführten paläontologischen Hinweise, die auf eine solche Verbindung schließen lassen, waren inzwischen massenhaft dokumentiert. Im 1868 erschienenen „Die Erde“ schrieb Reclus:

"Es hat den Anschein, dass sich während dieses Abschnitts der Erdgeschichte [Anm.: des Jura] ein großer Kontinent, der die beiden Amerikas, Afrika, Indien und Neuseeland beinhal- tete, rechtwinklig zum Äquator zwischen den beiden großen Ozeanen des Südens und Nordens er­streckte."

Und konstatierte im Schlusswort desselben Buches:

"[...] nicht nur zirkulieren die Winde und Ozeanströmungen rund um den Planeten, auch die Kontinente selbst, mit ihren Erhebungen und Tälern, ändern ihre Plätze, und wandern langsam um den Erdkreis."

Obwohl Reclus damit als unmittelbarer Vordenker Wegeners angesehen werden muss, blei­ben seine Ausführungen mit wenig Fakten untermauert und erscheinen innerhalb des Textes nur als relativ beiläufige Anmerkungen. Auch wenn seine Ideen vielleicht in einem anderen Werk besser entwickelt sind (der Autor bittet um Verständnis dafür, nicht das gesamte mehrdutzendbändige Oevre Reclus' durchgesehen zu haben), wurde sie damals anscheinend nicht beachtet, und heute ist sein Beitrag nahezu in Vergessenheit geraten.

Die Mobilisten standen vor dem Problem, dass sie keine treibende Kraft angeben konnten, welche die Verschiebung bewirken sollte. An dieser Frage sollte auch Wegener scheitern. Die Suche nach einem Kandidaten führte auch zu einigen nichtaktualistischen Theorien, die rückblickend (teilweise auch damals schon) ein wenig exotisch erscheinen:

1878 hatte George Darwin (1845-1912) – ein Sohn Charles Darwins – seine Abspaltungstheorie des Mondes vorgelegt: Durch eine in ihrer Frühzeit sehr viel schnellere Rotation (ungefähr eine Umdre­hung alle fünf Stunden) sei der Mond aus der Erde herausgelöst worden. Auf dieser Theorie aufbau­end spekulierte 1882 der englische Geologe Osmond Fisher (1817-1914), dass es sich bei dem Pazi­fikbecken um die Narbe dieses Ereignisses handeln und durch das Nachfließen von Gestein in die Lücke Amerika von Europa und Afrika weggerissen worden sein könnte. Fischer schrieb: „Der At­lantik wäre demnach ein großer Riss, was die grobe Parallelität zwischen den Konturen von Ameri­ka und der alten Welt erklären würde."

1908 schlug der US-Amerikaner Frank Bursley Taylor (1860-1938) vor, beim Einfangen des Mon­des durch die Erde – den Zeitpunkt veranschlagte er auf vor etwa 100 Millionen Jahren – seien die Kontinente durch dessen Anziehungskraft Richtung Äquator gezogen und dabei auseinandergeris­sen worden. Taylor errregte damit einige Aufmerksamkeit: Nachdem Wegener seine eigene Version der Kontinentaldriftthese vorgestellt hatte, wurde im amerikanischen Raum zeitweise auch von der „Taylor-Wegener-Hypothese“ gesprochen.

Taylors Landsmann Howard B. Baker (keine Lebensdaten gefunden), ein Amateurastronom, machte 1911 sogar eine Annäherung der Venus für das Herauslösen des Mondes aus der Erde ver­antwortlich, wobei auch die Kontinente verschoben worden seien.

Mainstreamer

Solchen Modellen standen wie erwähnt die Modelle des Fixismus gegenüber, der die Position der Kontinente für unveränderlich hielt. Allgemeine geologische Lehrmeinung war zu jener Zeit die Kontraktionstheorie. Diese, vom französischen Geologen Élie de Beaumont (1798-1874) in den Jahren 1829-1830 erstmals vorgelegt und durch den Österreicher Eduard Suess (1831-1914) sowie den Schweizer Albert Heim (1849-1937) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgebaut – un­ter anderem stellten sie die kataklystische Theorie de Beaumonts auf eine aktualistische um – sah Ozeanbecken und auch Gebirge als Resultat einer durch die Abkühlung des Planeten schrumpfen­den Erdkruste. (Ausführlicher in Teil 2.)

Ergänzend entstand, vor allem durch die Arbeit Eduard Suess', die Landbrücken‑Hypothese, welche die Verbreitung derselben fossilen Tier- und Pflanzenarten über verschiedene Kontinente, die den Fixismus in große Erklärungsnöte hätte bringen können, mit ehemaligen Festlandverbindungen zu erklären suchte, die später im Ozean versanken.

Die Kontraktionstheorie sollte sich bis 1962 als gängigstes Modell der Erdtektonik behaupten, zum Leidwesen des Mannes, der heute als erster wahrer Theoretiker der Kontinentalverschiebung ange­sehen wird: Alfred Wegener.

(Fortgesetzt in Teil 2: Der Verkannte)

Literatur:

Bacon, Sir F. (1620): Novum Organum, Book 2: 27.

Berkland, J. O. (1979): Elisée Reclus--Neglected geologic pioneer and first(?) continental drift advocate. Geology, No. 7, 189‑192.

Broecke, M. P. R. van den (2009): Ortelius' Theatrum Orbis Terrarum (1570-1641). Characteristics and deve­lopment of a sample of on verso map texts. Utrecht University, Royal Dutch Geographical. 241 Seiten.

Carey, S. W. (1989): Theories of the Earth and Universe. A History of Dogma in the Earth Sciences. Stanford University Press. Stanford, California. 419 Seiten. ISBN 0804713642

Fischer, O. (1882): On the physical cause of the ocean basins. Nature, Band 25, 243‑244.

Franklin, B. (1782): Franklin to Abbé Geologist Jean-Louis Giraud Soulavie. In: The papers of Benjamin Franklin, Vol. 38. Ellen R. Cohn (ed.), Yale University Press, London 2006.

Gould, S. J. (1977): The Reverend Thomas' Dirty Little Planet. In: Ever Since Darwin. W.W. Norton & Co., N.Y., 141-146. 285 Seiten. ISBN-10 0393064255.

Humboldt, A. von (1801): Esquisse d'un Tableau géologique de l'Amérique méridionale. Journal de Physi­que, de Chimie et d'Histoire Naturelle, Band 53.

Monmonier, M. (1995): Drawing the Line: Tales of Maps and Cartocontroversy. Henry Holt and Company, Inc., New York. 273 Seiten. ISBN 0805025812. 148‑189.

Reclus, É. (1868): La Terre. Description des phénomènes de la vie du globe. L. Hachette, Paris. 833. Seiten.

Sullivan, W. (1974): Continents in Motion. McGraw-Hill, New York. 399 Seiten.

Snider-Pellegrini, A. (1858): La Création et ses mystères dévoilés. A. Franck, Paris.

Taylor, F. B. (1910): The bearing of the Tertiary mountain belts on the origin of the Earth’s planes. Bull. Geol. Soc. Am., Vol. 21, 179‑226.

Erwähnte, nicht direkt zitierte Literatur:

Baker, H. B. (1911): Origin of the Moon. Detroit Free Press, 23. April, Feature Magazine Section, p. 7.

Beaumont, É. de (1830): Recherches sur quelques‑unes des révolutions de la surface du globe. Crochard, Paris. 240 Seiten.

Darwin, G. (1878): On the Precession of a Viscous Spheroid. Philosophical Transactions of the Royal Socie­ty of London (1776‑1886), Vol. 170, 447‑538.

Ortelius, A. (1596): Thesaurus Geographicus. Plantin, Antwerpen.

Placet, F. (1658): La corruption du grand et du petit monde, où il est montré qu'avant le déluge, l'Amérique n'était point séparée des autres parties du monde.

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