Das Woke-Phänomen - Sie machen munter weiter!

Diffamierungskampagne im Internet

Das Woke-Phänomen - Sie machen munter weiter!

Bild: Pexels.com / diego rabin

Liebe Leser,

eigentlich dient unser Blog dazu, verschiedene Themen in aller Ruhe aus philosophischer Perspektive zu diskutieren, für argumentative Klarheit zu sorgen und so unsere Leser bei Ihrer eigenen Meinungsbildung kompetent zu unterstützen.

Die Diffamierungskampagne im Internet gegen mich nimmt so langsam selbst für woke Verhältnisse groteske Züge an. Aber, macht nichts: Seit dem 11.11. ist ja Fasching, der hat traditionell mit Narrenfreiheit zu tun und dafür habe ich viel Verständnis.

Mein letzter Beitrag hatte in kürzester Zeit enorm viele Aufrufe. Das zeigt, dass Sie es akzeptieren, wenn ich für mich in diesem Fall eine Ausnahme mache und mich erneut in eigener Sache zu Wort melde. Ich verzichte darauf, alle Hintergründe im Detail zu schildern, das wäre zu mühsam und wenig interessant. Wer die Diffamierungskampagne gegen mich bereits verfolgt, wird alles einordnen und zuordnen können. Ich hoffe, dass ich mich dann in absehbarer Zeit wieder dem eigentlichen Zweck unseres Blogs widmen kann - und bedanke mich herzlich für Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung!

Worum geht es?

In einem Video vom 5.12. mit dem Titel Wieder GWUP: Wie man den Wokies das Feld überlässt wirft Frau Kraft - ich kenne sie nicht - mir vor, ich hätte in meinem Vortrag zum WOKE-Phänomen dem Publikum entweder ins Gesicht gelogen oder unglaublich schlecht recherchiert. Meine Darstellung stimme nicht und sei sehr einfach zu widerlegen. Dies sei das Ergebnis ausführlicher Recherchen Florian Aigners und anderer. (Im Video beginnt der Austausch zu meinem Vortrag bei 1:08:00 bzw. 1:21:00). Auf welche Inhalte meines Vortrages sie sich genau bezieht, wird für mich nicht klar; das wird leider nicht eindeutig benannt. Ich nehme aber an, es geht um die These, Matauranga Maori solle gleichberechtigt mit den Naturwissenschaften in den Unterricht an Neuseelands Schulen (und Universitäten) aufgenommen werden. Im Anschluss daran folgen Ausführungen Frau Wismeg-Kammerlanders zu rechtsextremen Emotionalisierungsstrategien und deren Ähnlichkeiten zu meinem „Maori-Beispiel“. Damit solle den Leuten Angst gemacht werden. Sie wolle damit natürlich nicht andeuten, ich sei in irgendeiner Weise rechtsextrem oder wolle den Leuten Angst machen. Da bin ich erleichtert. Echt.

Worum geht es in meinem Vortrag?

Im Vortrag geht es mir darum, anhand eines konkreten Beispiels typisch woke Argumente vorzustellen und an deren akademische Basis anzubinden. Das Beispiel aus Neuseeland habe ich in der Hoffnung gewählt, durch die geographische Distanz während des Vortrags eine gewisse emotionale Distanz zu wahren, die für eine rationale Analyse sehr hilfreich ist. Das hat vor Ort auch prima geklappt: Herzlichen Dank an das sehr offene und kluge Publikum in Nürnberg! Zweitens ist das Beispiel so bekannt und gut dokumentiert, dass es nicht als trivial abgetan werden kann. Genau so erkläre ich es auch im Vortrag.

Was behaupte ich im Vortrag in Bezug auf den Anlass des offenen Briefes der 7 Wissenschaftler (Die 7)?

Ich stelle unter Berufung auf Die 7 fest, dass im Rahmen der Umsetzungsdebatte zu Vision Matauranga die Forderung erhoben wurde, Matauranga Maori gleichberechtigt zu Physik, Chemie, Biologie an Schulen (und Universitäten) zu etablieren. Das ist absolut korrekt. Hier die Textstelle aus dem Regierungsbericht (Seite 3), auf den Die 7 sich beziehen:

Mana ōrite mō te mātauranga Māori

3. Mana ōrite mō te mātauranga Māori means equal status for mātauranga Māori in NCEA and is particularly important when deciding what TMoA subjects to support at NCEA Levels 1-3. Our goal is to ensure parity for mātauranga Māori with the other bodies of knowledge credentialed by NCEA (particularly Western/Pākehā epistemologies). This parity needs to span English-and Māori-medium settings. The Ministry is committed to ensuring mātauranga Māori is explicitly and equitably valued in NCEA and that mātauranga Māori pathways are acknowledged and supported equally in NCEA.

Hier der (aktuelle) Link dazu (seltsamerweise hat die Regierung diesen schon mehrfach geändert):

Determining the NCEA Level 1, 2, and 3 Subject Lists for Te Marautanga o Aotearoa

Zum Hintergrund: Die Debatte, ob Matauranga Maori erkenntnistheoretisch den Naturwissenschaften gleichzustellen sei, wird in Neuseeland seit Jahren geführt. Die damit verknüpfte Forderung nach völliger Gleichstellung von Matauranga Maori an Schulen und Universitäten, auch und gerade im Bereich der Naturwissenschaften, wurde ebenfalls seit Jahren immer wieder erhoben, ist also auch keineswegs neu. Sie taucht hier aber meines Wissens zum ersten mal als konkrete Empfehlung in einem Bericht der Regierung auf. Deshalb, aber das ist nur meine ganz persönliche Vermutung, wollten Die 7 eine öffentliche Debatte zum Status Matauranga Maoris anstoßen: Die Einschläge kamen näher …

Damit haben sie übrigens genau das getan, wozu die Regierung in dem fraglichen Bericht mit dessen Freigabe explizit aufgerufen hat: An der öffentlichen Debatte teilgenommen. Zu Historie und Hintergrund der Debatte habe ich dem Wissenschaftsrat der GWUP zahlreiche Quellen zukommen lassen; individuelle Anfragen dazu möchte ich aus Zeitgründen nicht mehr beantworten.

Natürlich hat niemand an dieser Stelle behauptet, dass es Inhalte aus Matauranga Maori im naturwissenschaftlichen Unterricht bzw. dem Curriculum dazu bereits gebe: Der Regierungsbericht sollte ja gerade die Ausarbeitung entsprechender Lehrpläne vorbereiten bzw. anstoßen.

Wurden Inhalte von Matauranga Maori später in Lehrpläne für den Wissenschaftsunterricht aufgenommen?

Darum geht es in meinem Vortrag nicht. Mir geht es klar und deutlich um die Diskussionen zur Stellungnahme Der 7 ab der Veröffentlichung ihres offenen Briefes.

Aber: Wie trotz der heftigen Debatte und aufgrund der damaligen politischen Konstellation in Neuseeland nicht anders zu erwarten, ist das im Rahmen eines Pilotprojektes tatsächlich geschehen. Das war mir zum Zeitpunkt des Vortrages bekannt und ist natürlich ein starkes Indiz dafür, dass Die 7 und sehr viele andere Kenner der Situation in Neuseeland mit ihrer Einschätzung richtig lagen. Die Quellen dafür sind innerhalb von 3 Minuten leicht und unkompliziert über Google zu finden (siehe unten).

Beispiel 1

In den Lehrplan (Curriculum) für den Biologie- und Chemieunterricht wurde als Lehrinhalt das Vitalismuskonzept Matauranga Maoris, Mauri, aufgenommen. Grob gesagt geht es um eine Lebenskraft, die alle belebten und unbelebten Entitäten durchströmt und permanent von den beiden Gottheiten Rangi und Papa abgestrahlt wird. Dabei handelt es sich um eine der zentralen Lehren des Maori-Weltbildes.

Paul Kilmartin, Chemieprofessor an der Universität Auckland, hat am 18.2.2022 zu einer Vorlesung via Zoom eingeladen, in der er seine Meinung zu diesem Teil des Lehrplans klar kommuniziert hat. Im sehr lesenswerten Blogessay von Nick Matzke sind alle Einzelheiten und Links dazu enthalten:

Chemistry Professor Paul Kilmartin on "mauri" in the NZ Chemistry/Biology curriculum

Es finden sich darin auch Screenshots bzw. Auszüge des Curriculums der Regierung. Das ist wichtig, weil im aktuellen Lehrplan für Biologie/Chemie das Thema Mauri nicht (mehr) auftaucht. Anhand der Änderungshistorie konnte ich nicht rekonstruieren, wann es entfernt wurde. Meine Vermutung: Es hat die erste Pilotphase an den Schulen - Professor Kilmartin erwähnt diese - nicht überstanden.

Sehr zu empfehlen ist außerdem der sehr ausführliche Podcast Michael Goldmans mit Professor Kilmartin zu Matauranga Maori bzw. Mauri:

Mātauranga Māori & the Science Curriculum with Paul Kilmartin

Er erklärt ausführlich, warum er als Naturwissenschaftler die Erweiterung des Curriculums um Mauri ablehnt. Es werden übrigens auch die Rückzieher der Royal Society besprochen, die zu Beginn der Debatte die Stellungnahme Der 7 in wichtigen Teilen falsch bzw. stark verzerrt wiedergegeben und die ganze Diskussion unnötig emotionalisiert hatte.

Meine Empfehlung gilt darüber hinaus für jede einzelne Folge der Reihe The Shape of Dialogue. Michael Goldwater hat damit die ganze Debatte um den Brief Der 7 von Anfang an mit sehr kompetenten Gesprächspartnern aus allen Lagern begleitet. Mich beeindruckt seine ruhige, konsequente und immer exzellent informierte Gesprächsführung. Unter anderem spricht er mit Richard Dawkins, Jerry Coyne und Daniel Hikuroa. Interessierten möchte ich vor allem die Folge mit Charles Royal ans Herz legen; man erhält einen exzellenten Überblick zu Historie und Entwicklungsstand Matauranga Maoris: Mātauranga Māori with Charles Royal

Beispiel 2

Ein weiteres sehr klares und aussagekräftiges Beispiel liefert der bekannte Biologe Jerry Coyne. Er hatte sich zu Beginn der Debatte hinter Die 7 gestellt. Es spricht für sich und bestätigt die Befürchtungen der 7 Wissenschaftler komplett:

A New Zealand teacher writes the government protesting a proposed curriculum asserting the equality of indigenous “ways of knowing” with science

Was ich mir wünsche

Erstens erwarte ich jetzt von Frau Kraft, dass sie zeitnah klipp und klar öffentlich benennt, zu welchen Punkten meine Darstellung nicht stimmt und meine Recherche unhaltbar ist. Ich lerne immer gerne dazu.

Zweitens würde ich mich freuen - siehe oben, Narrenfreiheit - wenn Herr Hümmler, Herr Aigner, Frau Wismeg-Kammerlander und Frau Kraft sich nicht entmutigen lassen und sich bis Jahresende noch ein paar neue Vorwürfe und Geschichten ausdenken. Ich habe 2024 schon einige Termine zu einem Vortrag über Cancel Culture und werde dabei ausführlich auf typisch woke Manipulations-und Diffamierungstaktiken eingehen. Der Vortrag schreibt sich durch ihre Beiträge gerade selbst - und das verschafft mir viel Zeit für Skitouren.

Drittens würde ich mich sehr freuen, wenn mein Vortrag bei YouTube bis Jahresende 10000 Aufrufe schafft. Für je 1000 erhalte ich nämlich ein Pfund hausgemachten und phantastischen Spekulatius als Belohnung. Gehört bei jeder Skitour in den Rucksack - Danke für Ihre Hilfe!

Eine erweiterte Version des Vortrags präsentiert Andreas Edmüller am 16. Januar 2024 in Bremen.

Das Woke-Phänomen - Frontalangriff auf die Werte von Wissenschaft und Aufklärung

Hier geht's zum Originalartikel...

Kommentare

  1. userpic
    RPGNo1

    Ich habe Herrn Edmüllers Vortrag auf YT gesehen und beschäftige mich interessehalber selbst ein wenig intensiver mit dem Phänomen Matauranga Maori, seit ich durch Kommentare und Artikel von z.B. Jerry Coyne und Richard Dawkins darauf aufmerksam geworden bin.

    Daher verstehe ich nicht wie Hanna Krafft, Rebecca Wißmeg-Kammerlander und Florian Aigner zu ihren fehlerhaften, selbst für einen Laien leicht widerlegbaren Einschätzungen zu Matauranga Maori gekommen sind.

    Dass zudem seitens Frau Wißmeg-Kammerlander suggeriert und unverzüglich wieder bestritten wird, dass Andreas Edmüller Nähe zu rechtem bzw. neurechtem Gedankengut hätte (d.h. er wird geframt), ist einer Wissenschaftlerin, die sich zudem Skeptizismus auf die Fahnen geschrieben haben will, unwürdig. Sie sollte in sich gehen und überlegen, ob sie diese rhetorischen Tricks wirklich nötig hat.

    Antworten

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      Andreas Edmüller

      Hallo RPGNo1,

      nach Ansicht ihrer Auftritte in den Bartoschek-Videos glaube ich tatsächlich, dass sie diese Tricks nötig hat. Was kommt denn sonst von ihr?

      Antworten

      1. userpic
        RPGNo1

        Hallo Herr Edmüller,

        ich habe außer Frau Wißmeg-Kammerlanders Einlassungen zum Vortrag über Matauranga Maori und ihren Geprächen auf YT mit Sebastian Bartoschek bisher wenig bis nichts im Netz finden können, dass auf eine besondere Expertise zum Themenkomplex Matauranga Maori/Intersektionalismus/Identitätspolitik/Poststrukturalismus hinweisen würde.

        Wißmeg-Kammerlanders Verbindung zur GWUP ist wohl auch frisch. Sie scheint erst im Rahmen der Aufklärungsarbeit zu Corona und Querdenken auf den Verein aufmerksam geworden zu sein, um dann auch beizutreten.

    2. userpic
      Andreas Edmüller

      Hallo RPGNo1,

      kennen Sie schon diesen Blog (2 Teile) von mir zum Thema "Expertise"? Sie kanzelt Dawkins ab:
      http://blog.projekt-philosophie.de/liberalismus/das-woke-phaenomen-team-huemmler-zerlegt-richard-dawkins-teil-1/

      Beste Grüße - und Danke für Ihre klugen Kommentare bei Psiram - ich lese da manchmal mit!

      Andreas Edmüller

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      1. userpic
        RPGNo1

        Hallo Herr Edmüller,

        danke für das Lob zu meinen Psiramkommentaren. Es freut mich zu hören, dass mein naturwissenschaftliches Studium doch ein vernünftiges Rüstzeug geliefert hat, um in diesen Diskussion bestehen zu können. :)

        Die beiden Kommentare zur Expertise habe ich auch bereits gelesen.

        Antworten

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          Andreas Edmüller

          War kein Lob, sondern wohlverdiente Anerkennung - plus einem "Dankeschön"! 👍 Naturwissenschaftler fallen tatsächlich viel weniger oft auf Woke rein, als Sozial- und Geisteswissenschaftler. Ich bin ja selber Philosoph - das ist manchmal zum Davonlaufen!

          Den Offenen Brief gegen die 7 Professoren in NZ haben zwar ewa 2000 Wissenschaftler unterzeichnet - aber es sind kaum Naturwissenschaftler dabei. Ehre wem Ehre gebührt!

          Ich habe übrigens noch viel mehr Belege bzw. Quellen, um die Lügen- bzw. Stümpervorwürfe gegen mich zu entkräften ... und ehrlich keine Ahnung, warum Aigner und Team Hümmler die nicht gefunden haben bzw. finden. 🤣

          Ich glaube fast, die kennen z.B. nicht einmal Jerry Coyne; der war ja schon sehr früh dabei unnd hat sich oft zu Matauranga Maori geäußert.

          Ich wünsche Ihnen einen Guten Rutsch!

      2. userpic
        Andreas Edmüller

        Danke für den HInweis - O'Sullivans Law kannte ich noch gar nicht!
        Ich glaube aber zu wissen, wie man diesen Tendenzen auf Dauer wirkungsvoll begegnen kann: In jeder Generation Werte und Weltbild der Aufklärung hochhalten, eine Bombenkondition haben ... und sehr viel Geduld!

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