Die Säulen einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung

Warum ich nicht glauben kann – Folge 6

Die Säulen einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung

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Wer etwas strikt ablehnt, wird zu Recht gefragt, ob er bei der bloßen Ablehnung stehen bleibt oder ob er eine Alternative anzubieten hat.

Ich habe in den Folgen 1 bis 4 mir wesentlich erscheinende Gesichtspunkte, die gegen Religion und christliche Lehre sprechen, zusammengetragen. Diese Überlegungen und Argumente machten mich im Laufe der Jahre schließlich von einem Skeptiker zu einem dezidiert Nichtgläubigen.

Ich fasse im Folgenden wesentliche Aussagen meiner weltanschaulichen Alternative zur christlichen Religion wie überhaupt zur Religion zusammen.

Die Säulen einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung

Die bisher zusammengetragenen Gründe, weshalb ich kein Christ sein kann und nicht sein will, kennzeichne ich schlagwortartig durch die folgenden drei Säulen:

- Naturalistisches Weltbild

- Säkulares Wertesystem

- Strikte Diesseitsorientierung

Diese drei Säulen einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung bilden in groben Zügen das, was wir heute den »Neuen Humanismus« nennen. Für mich persönlich würde ich mein humanistisches Bekenntnis so beschreiben:

Erstens: Ich betrachte das, was die heutigen Naturwissenschaften, die Wissenschaften von der Wirklichkeit, als derzeit gesicherte Erkenntnis ansehen, für mich zunächst einmal als maßgebend für alle weiteren Überlegungen. Vor allem ist es die rationale, logische und systematische Denkweise der heutigen Naturwissenschaften und ihre empirische Verankerung, die ich mir zum Vorbild genommen habe. Nach meiner Überzeugung bilden rational-logisches Denken und naturwissenschaftlich erarbeitetes Wissen die sicherste und intellektuell befriedigendste Basis für unser Denken und Handeln.

Denn worüber man nichts Begründetes sagen kann, kann man allenfalls spekulieren. Sich seines Denkvermögens zu bedienen, heißt deshalb für mich, nichts zu »glauben«, was dem Verstand und wissenschaftlicher Erkenntnis eindeutig widerspricht. Ich bin höchst skeptisch allem gegenüber, was für sich Gültigkeit, ja Wahrheit beansprucht, ohne dafür wenigstens plausible Gründe angeben zu können. Dennoch ist nicht zu bestreiten, dass Wissenschaft heute noch vieles nicht erklären kann, und dass unser Wissen vielleicht niemals vollständig sein wird. Insofern gilt es offen zu bleiben für neue und überraschende Entwicklungen und Einsichten, die geeignet sind, bisher nicht Angezweifeltes in Frage zu stellen.

Zweitens: Ein säkulares Wertesystem kennt statt einer göttlich gestifteten Moral eine vernunftbasierte Ethik. Die Jahrtausende alte Regel »Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu« stellt eigentlich schon ein umfassendes Gebot friedlichen Zusammenlebens dar. Und es gilt vor allem deswegen Gutes zu tun, weil es gut ist, nicht, weil eine Gottheit ganz hoch oben Belohnung verspricht.

Ein säkulares Wertesystem orientiert seine Normen und Regeln an den fundamentalen Bedürfnissen und Interessen der Menschen. Der Mensch setzt also die Norm, nicht eine unsichtbare Gottheit über uns. Dieses säkulare Wertesystem hat evolutionär entstandene Wurzeln und artikuliert sich heute in humanistischen Grundsätzen und allgemein anerkannten Menschenrechten wie Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, Solidarität, soziale Gerechtigkeit, wohlüberlegte Toleranz, zum Beispiel gegenüber einem privat gelebten Glauben.

Im Zentrum meines humanistischen Konzepts steht jedenfalls die Aussage, die in den Ohren gottgläubiger Menschen wie eine Provokation klingen mag, dass letztlich Menschen vereinbaren und festlegen, was gut oder schlecht, was erstrebenswert oder abzulehnen sei. Da Menschen naturgemäß unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen haben, sollte in diesem Zusammenhang das Prinzip des fairen Interessenausgleichs gelten. Das bedeutet, dass man sich um der Gerechtigkeit und des sozialen Friedens willen immer zu fragen hat: Was ist gleichermaßen gut und akzeptabel für alle Betroffenen.

Und drittens: Meine strikte Diesseitsorientierung basiert auf der Einsicht, dass ich höchstwahrscheinlich nur dieses eine Leben habe. Folglich sollte ich versuchen, das Bestmögliche aus meinem Leben zu machen. Dieses Streben nach Erfüllung meines Lebens muss aber immer auch den Mitmenschen im Blick haben, der ebenso glücklich werden will. Deshalb gelingt ein erfülltes Leben vermutlich am besten dadurch, dass man sich gesellschaftlich engagiert, sei es im politischen, im humanitären, vielleicht im künstlerischen Bereich. Und schließlich: Wer sich bemüht hat und wem es gelungen ist, auf ein erfülltes, glückliches Leben zurückblicken zu können, dem wird es leichter fallen, von dieser Lebensbühne wieder abzutreten.

Wenn man so will, kann man mich einen »bekennenden, undogmatischen Atheisten« nennen. Den allerdings die Frage, ob Gott existiert, nicht mehr sehr beschäftigt. Denn sie ist bekanntlich aus vielerlei Gründen nicht entscheidbar. Denn wie soll man beweisen, dass etwas nicht existiert?

Man kann an Gott glauben oder nicht glauben. Ich glaube jedenfalls, dass eine solche Wesenheit nicht existiert. Zu viele, mir plausibel erscheinende Gründe sprechen gegen seine Existenz.

Ich selbst verwende für mich den Begriff Atheist kaum, obwohl von meiner Auffassung her eine solche Bezeichnung zutreffend wäre. Den Begriff Humanist halte ich für angemessener und aussagekräftiger. Ich definiere meine Weltanschauung weniger durch Negation einer Auffassung als vielmehr positiv durch Charakterisierung der Komponenten, die meine Weltanschauung beschreiben: ein naturalistisches Weltbild, ein säkular begründetes Wertesystem und eine strikte Diesseitsorientierung. Sie sind das Ergebnis meines »vernunftgeleiteten« Nachdenkens und das vieler anderer Menschen über die Welt und unsere Rolle darin. Ein persönlicher Gott und barmherziger Weltenlenker kommt in meinem Weltbild nicht vor, denn ich kann beim besten Willen die Grundlagen zu einem solchen Glauben nicht erkennen.

Fragen, die jenseits der rationalen Bewältigung des Alltags liegen

Aber es gibt noch einen Punkt, den ich hier ansprechen will. Einer naturalistischen Weltanschauung wird gern »emotionale Armut« vorgeworfen, eine »reduzierte Wirklichkeitswahrnehmung« oder »Blindheit gegenüber den seelischen Bedürfnissen eines Menschen, der sich in existenzieller Not befindet«. Diese Vorwürfe sind nicht ganz unberechtigt. Wer Religionen ablehnend gegenübersteht, auch die Idee eines Jenseits verwirft, meidet eher das Nachdenken über Themen, die den Alltag »transzendieren«, Fragen, die sozusagen die »letzten Dinge« betreffen. Denn Nichtgläubige haben die Sorge, wie gehabt, wieder in irrationales oder esoterisches Fahrwasser zu geraten.

Dennoch befassen sich auch Nichtgläubige mit Fragen, die jenseits der rationalen Bewältigung des Alltags liegen. Auch Nichtgläubige denken über den Urgrund allen Seins nach, über die Unbegreiflichkeit der Realität, kennen Gefühle des Einssein mit der Natur, bedenken das eigene Ende. Solche Themen sprechen – wie man sagen könnte – eine spirituelle Dimension an.

Das Thema Spiritualität wird von vielen Nichtgläubigen inzwischen, wenn auch mit großer Zurückhaltung, als eine den Blick auf das Dasein erweiternde, wenn nicht bereichernde Dimension wahrgenommen. Dies umso mehr, je weniger solche Vorstellungen und Gedanken heutiger Philosophie und Wissenschaft widersprechen.

Bei dem Gedanken an die Endlichkeit der eigenen Existenz allerdings bietet die Verheißung auf ein Weiterleben im Jenseits einem Nichtgläubigen keinen Trost. Zu offenkundig ist dieses religiöse Versprechen für ihn bloßes Wunschdenken. Ein Humanist im oben beschriebenen Sinne wird ohne das Versprechen eines ewigen Lebens daher mehr Mut und Kraft aufbringen müssen. Dies wird ihm leichter gelingen, wenn er mit Einsicht und Gelassenheit akzeptiert hat, dass die Natur uns Menschen nur einen einmaligen und im kosmischen Maßstab gesehen flüchtigen Auftritt auf diesem Planeten gewährt.

Der Christ wird auf das ihm versprochene ewige Leben verweisen und darin am Lebensende seinen Trost finden, jedenfalls ist dieses Versprechen essenzieller Teil seines Glaubensbekenntnisses. Ich kann jedoch diese Verheißung nur als Illusion ansehen, geboren aus dem brennenden Wunsch nach Weiterleben. Ist es wirklich so, dass ein Christ am Ende seines Lebens tatsächlich Trost im Glauben findet, besonders, wenn er noch vergleichsweise jung sterben muss? Die Angehörigen sind zutiefst erschüttert, viele hadern mit Gott und zweifeln an dessen Güte. Warum diese unendliche Trauer, wenn doch bei christlicher Lebensführung das Paradies winkt? Zumindest ein alter, aber gottesfürchtiger Mensch müsste bei seinem Ableben eigentlich von seinen Verwandten und Freunden beneidet werden. Geht er doch Gott entgegen. Warum diese tiefe, oft verzweifelte Trauer, wenn man ihn doch wiedersehen wird?

Trost nicht durch göttliche Verheißung, sondern durch Wissenschaft und Technik

Mein Denken ist deshalb ein anderes als das eines gläubigen Christen, der auf Gott setzt und auf ein ewiges Leben hofft. Ein Mensch, der schon als Kind behutsam zu der Einsicht geführt wird, dass der Tod zum Leben gehört, dass der Tod das natürliche Ende eines Lebens ist, dass es wohl keinen gütigen Gott über ihm gibt, dass er aber auch nicht vor den Zufälligkeiten des Lebens geschützt ist, wie Krankheiten oder Unfällen etwa. Ein Mensch, dem frühzeitig bewusstwird, dass er nur dieses eine Leben hat und dass er den Sinn seines Lebens nur hier auf Erden finden kann, wird ein anderes Leben führen als ein Christ.

Er wird sich bemühen, viel konsequenter sein Leben so zu gestalten, dass er positive Spuren hinterlässt: Kinder und Enkel, ein Haus für die Nachkommen, eine politische Leistung, die vielen Menschen Frieden und Wohlstand brachte, ein die Zeit überdauerndes künstlerisches Werk, ein berühmtes Bauwerk, eine das Leben erleichternde Erfindung, – irgendeine persönliche Leistung, auf die er mit Genugtuung oder gar Stolz schauen kann. Wenn ihm so etwas gelungen ist und er vielleicht dank Medizin ein langes Leben hatte, kann er ruhig und gefasst von dieser Lebensbühne abtreten.

Viele glaubensfreie Menschen haben an ihrem Lebensende gezeigt, welche Stärke und Gelassenheit sie aus einer so gereiften Einstellung zum Leben und dessen Ende beziehen, welcher innere Friede sie erfasst hat, wenn sie – ja, so möchte ich es formulieren – keine falsche Hoffnung mehr hegen. Ich denke, »wer sein Feld bestellt hat«, wird am Ende auch loslassen können, ohne Verzweiflung und ohne Angst vor dem Tod.

Was aber sage ich einem noch jungen Menschen, dem eine tückische Krankheit das Leben nimmt? Es fällt mir nicht leicht, hierauf eine tröstende Antwort zu finden. Aber was kann ein gläubiger Christ dazu sagen? Überzeugt und tröstet sein Hinweis auf Auferstehung und ewiges Leben einen Menschen von heute noch? Das gern verdrängte, unheilschwangere Wort vom Schicksal erinnert daran, dass wir eben nicht alles in der Hand haben. Philosophie, Soziologie, auch die Evolutionstheorie, bezeichnen diese prinzipielle Offenheit der Zukunft, dieses nicht plan- und vorhersehbare Geschehen und die damit verbundene Ungewissheit mit dem abstrakten Begriff Kontingenz. Diese hat mit Zufall und Unberechenbarkeit zu tun.

Die Theologen verweisen hier auf Gottes unerforschlichen Ratschluss, seinen souveränen Willen und trösten mit Verheißungen und verweisen auf das Paradies. Die Naturwissenschaften und die aus ihr hervorgegangenen Technologien bieten insofern realen Trost und begründete Hoffnung, als sie inzwischen wesentliche, Not wendende Beiträge zur Bekämpfung von Hunger, von Schmerzen, von Krankheiten und zur Bändigung von Naturkatastrophen vorweisen können und zukünftig wohl auch für derzeit noch nicht beherrschbares Leid. Von den Früchten der Wissenschaften und den daraus entstandenen Technologien haben inzwischen Abermillionen von Menschen profitieren und zumindest länger leben können. Dort, wo die Religionen noch die Lebensverhältnisse bestimmen, lebt die weit überwiegende Zahl der Menschen hinsichtlich ihrer Lebensqualität noch im Mittelalter.

Zusammenfassend möchte ich sagen:

Es gibt m.E. viele ernstzunehmende sachliche und moralische Gründe, die einen Menschen veranlassen können, sich von Glauben und Kirche abzuwenden. Die Kirchensteuer allein ist es ganz bestimmt nicht. Sie ist allenfalls das letzte auslösende Moment nach Jahren des Zweifelns und der inneren Distanz, sich von der Kirche zu verabschieden und sich einer alternativen, das heißt, einer gottfreien und den Menschen in den Mittelpunkt stellenden Lebensauffassung zuzuwenden.

Mir erscheint jedenfalls eine naturalistisch-humanistische Weltanschauung viel lebensbejahender als eine Religion, die meint, dass wir das Leben – in diesem »Jammertal«, wie es ja manchmal heißt – ertragen müssten, um in den Himmel zu kommen.

Zum Schluss dieses Beitrags möchte ich ausdrücklich auffordern, meine Sicht der Dinge dort zu ergänzen, wo sie ergänzungsbedürftig erscheint. Mir dort zu widersprechen, wo man meint, dass ich Gefahr laufe, einen ebenso illusionären »Glauben« zu vertreten wie den von mir kritisierten und abgelehnten christlichen Glauben. Stellung dazu zu nehmen, ob meine angedeuteten Überlegungen zu dem, was ich die spirituelle Dimension nenne, das humanistische Weltbild bereichern können oder beeinträchtigen, gar verfälschen.

Hier geht es zur Folge 6.

Univ.-Prof. Dr. Uwe Lehnert ist emeritierter Professor für Bildungsinformatik und Bildungsorganisation, der an der Freien Universität Berlin im Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie tätig war.

Bekannt geworden ist er vor allem durch sein Buch „Warum ich kein Christ sein will“. Im Oktober 2018 erschien die 7., vollst. überarb. Auflage, Hardcover, 490  S. im Tectum-Verlag Baden-Baden (innerhalb der Nomos Verlagsgesellschaft).

Webseite: http://warum-ich-kein-christ-sein-will.de/

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Kommentare

  1. userpic
    Klaus Roggendorf

    Ich kann alles wissenschaftlich nachvollziehen, halte aber sein Denken nicht für philosophisch hinreichend, weil Glauben Wissen - stammesgeschichtlich psychdynamisch, philosophisch - lebenspraktisch und geschichtsprägend - durch die Wahrheit untrennbar miteinander verbunden sind und alles was ist verbinden. Die Gottesvorstellungen des Menschen vollziehen entwicklungs- und erkenntnisstandgeschichtlich, psychologisch und philosophisch einen bedingten Begriffswandel der den Religionsfrieden wahrheitsorientiert begründen kann. untrennbar untrennbar. 'Gott' ist entwicklungs-geschichtlich mit Kants philosophischer ' Wahrheit an sich', identifizier- und erklärbar. Gott kann logisch nichts anderes als dieGanze Wahrheitsein , denn Leben und Überleben sind nur wahrheitsgemäß s o natur-angepasst möglich. wie es die Wahrheit selbst dominant verlangt. Diese notwendige Anpassung hat die entwicklungsgeschichtlich mittelalterlichen, vielfältigen Gottesvorstellungen lokal und kulturell - wahr und folgenschwer - religiös leidvoll missbraucht - unterschiedlich geprägt. Die Gottesvorstellungen im menschheits-geschichtlichen Zusammenhang sind auch philosophisch widerspruchsfrei, wenn 'Gott', als größt-vorstellbare Allmacht - logisch als die 'Vollkommenheit alles Wahren und/oder mit Kants 'Wahrheit an sich- identifiziert wird, weil alle drei Begriffe, alles, was ist verbinden. Allein die Ganze Wahrheit - des unbewusst d o m i n a n t w i r k s a m e n Fühlens, Denkens und Handelns hat - mit seinem eitel überschätzten Bewusstsein und dessen falscher Begriffswelt - die Menschheitsgeschichte antriebsdynamisch so leidvoll geprägt.

    Um die - in jeder Hinsicht - klimatischen Folgen zu bändigen bedarf es eines Wertewandels vom ICH zum WIR. Der Wandel, vom Ich zum WIR, muss existentiell sinnvolle, natur-symbiotisch vernünftige Folgen haben. Z. B.: Wenn jeder Mensch möglichst jedes Jahr einen Geburtstags-Obst-Baum pflanzen und pflegen würde, wäre das ein moralischer Ausgleich für die töricht-eitlen und überfüssigen - naturschädlichem - Luxus-Verschwendungen.

    Der schlimmste psychisch und physisch krankmachende Faktor im menschlichem Leben ist das n i c h t wahrheits- u. erkenntntnisstand - gerechte, gemeinwohl-orienterte Leben eines jeden selbst! Wer das Wahre, die wissenschaftlich sichere Wahrheit, nicht glaubt, dem ist der Verstand unbewusst naiv, erkenntniswidrig und/oder antriebsdynamisch bedingt,schicksahaft geraubt.Mithin ist jeder für unsere Zukunft mitverantwortlich! Worauf denn auch der Satz beruht, wer wahrheitsorientiert lebt, der lebt erkenntnisstandgerecht richtig -und sinnvoll gut! Allen alles Gute!

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      Klaus Roggendorf

      Ein lesbarer Beitrag

      Die Säulen seiner naturalistisch-humanistischen Weltanschauung sind wissenschaftlich nachvollziehbar. Ich halte aber sein Denken nicht für philosophisch hinreichend, weil Glauben Wissen - stammesgeschichtlich psychdynamisch, philosophisch - lebenspraktisch und geschichtsprägend - durch die Wahrheit untrennbar miteinander verbunden sind und dies alles, was wahr ist, verbinden.

      Die Gottesvorstellungen des Menschen vollziehen entwicklungs- und erkenntnisstandgeschichtlich, psychologisch und philosophisch einen bedingten Begriffswandel der den Religionsfrieden wahrheitsorientiert begründen kann. untrennbar untrennbar. 'Gott' ist entwicklungs-geschichtlich mit Kants philosophischer ' Wahrheit an sich', identifizier- und erklärbar Gott kann logisch nichts anderes als die Ganze Wahrheit sein.
      Leben und Überleben sind wahrheitsgemäß nur s o natur-angepasst möglich. wie es die Wahrheit selbst dominant verlangt. Diese not-wendige Anpassung hat die entwicklungsgeschichtlich mittelalterlichen, vielfältigen Gottesvorstellungen lokal und kulturell - wahr und folgenschwer - religiös leidvoll missbraucht - unterschiedlich geprägt. Die Gottesvorstellungen im menschheits-geschichtlichen Zusammenhang sind auch philosophisch widerspruchsfrei, wenn 'Gott', als größt, vorstellbare Allmacht, logisch als die 'Vollkommenheit alles Wahren und/oder mit Kants 'Wahrheit an sich- identifiziert wird, weil alle drei Begriffe, alles, was ist verbinden. Allein die Ganze Wahrheit - des unbewusst d o m i n a n t w i r k s a m e n Fühlen, Denken und Handeln hat - mit seinem eitel überschätzten Bewusstsein und dessen falscher Begriffswelt - die Menschheitsgeschichte antriebsdynamisch so leidvoll geprägt.

      Um die - in jeder Hinsicht - klimatischen Folgen zu bändigen bedarf es eines Wertewandels vom ICH zum WIR. Der Wandel, vom Ich zum WIR, muss existentiell sinnvolle, natur-symbiotisch vernünftige Folgen haben. Z. B.: Wenn jeder Mensch möglichst jedes Jahr einen Geburtstags-Obst-Baum pflanzen und pflegen würde, wäre das ein moralischer Ausgleich für die töricht-eitlen und überfüssigen - naturschädlichem - Luxus-Verschwendungen.

      Der schlimmste psychisch und physisch krankmachende Faktor im menschlichem Leben ist das n i c h t wahrheits- u. erkenntntnisstand - gerechte, gemeinwohl-orienterte Leben eines jeden selbst! Wer das Wahre, die wissenschaftlich sichere Wahrheit, nicht glaubt, dem ist der Verstand unbewusst naiv, erkenntniswidrig und/oder antriebsdynamisch bedingt,schicksalhaft geraubt.Mithin ist jeder für unsere Zukunft mitverantwortlich! Worauf denn auch der Satz beruht, wer wahrheits-orientiert lebt, der lebt erkenntnisstand-gerecht richtig, vernünftig und sinnvoll gut! Allen alles Gute!

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      Klaus Steiner

      Hallo Herr Roggendorf,

      Ihr Zitat: "'Gott' ist entwicklungs-geschichtlich mit Kants philosophischer ' Wahrheit an sich', identifizier- und erklärbar."
      Meinen Sie vielleicht Kants "Ding an sich"?

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        Uwe Lehnert

        Lieber Herr Roggendorf,
        falls Sie es nicht bemerkt haben sollten, es geht hier weder um die Begründung von Gottesvorstellungen noch um Ideen, wie dem Klimawandel vorgebeugt werden könnte. Es geht hier um die Komponenten einer säkularen Lebensweise, die sich als Alternative zu Religion und speziell zum Christentum versteht.
        Mich würde interessieren, ob Sie meinen Überlegungen folgen können, ob Sie Ergänzungen vorzuschlagen haben oder grundsätzliche Kritik anbringen möchten.
        Uwe Lehnert

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          Uwe Lehnert

          Liebe Leser,

          ich würde mich freuen, zu diesem Beitrag - vergleichbar der regen Beteiligung der ersten Folgen dieser Beitragsreihe - mehr Rückmeldungen zu bekommen: Ergänzungen, Widerspruch oder Zustimmung. Ich bin keinesfalls der Auffassung, dass meine Beschreibung eines alternativen Konzepts einer nichtreligiösen Weltanschauung nicht erweiterungsfähig bzw. -bedürftig wäre.

          Uwe Lehnert

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            Hard Frost

            Ja, es gibt ein paar Punkte:

            Wer etwas strikt ablehnt, wird zu Recht gefragt, ob er bei der bloßen Ablehnung stehen bleibt oder ob er eine Alternative anzubieten hat.

            Das würde ich so nicht ausdrücken wollen. Falls jemand etwas ablehnt, so darf er das auch ganz ohne Begründung, oder besser mit einer (hinreichenden) Begründung für die Ablehnung - nicht aber, daß er deswegen eine Alternative anbieten müßte.
            Das kommt natürlich immer auf das an, was abgelehnt wird. Das klassische Beispiel hier wäre jetzt "Du lehnst Gott ab? Was für eine Alternative hast du? Wie, keine? Dann wird das erstere wohl doch besser sein..."

            rational-logisches Denken

            Da bin ich mir gar nicht so sicher, was das eigentlich sein soll. Logik und Ratio sind ja im Prinzip auch nur eine Art Modelle, die die Wirklichkeit sozusagen herunterbrechen auf eine gute Handvoll Faustregeln. Diese wiederum auf eine Wirklichkeit anwenden zu können, kann auch auf falsche Fährten führen.

            nur dieses eine Leben habe. Folglich sollte ich versuchen, das Bestmögliche aus meinem Leben zu machen.

            Da kann ich nur fragen: Wozu? Was wäre denn das "Bestmögliche"? Natürlich bereut man immer hinterher irgendwelche Entscheidungen, deren Konsequenzen man entweder nicht voraussehen konnte oder wahrhaben wollte. Ich plädiere keinesfalls für eine komplette Gedankenlosigkeit, aber auch nicht für das komplette Gegenteil davon. Daher ist es schwer zu entscheiden, was "das Beste" sein soll. Manchmal ist das Beste nämlich gar nicht so gut, sondern besser das, was gerade so reicht, um seinen Zweck zu erfüllen

            Wer sich bemüht hat und wem es gelungen ist, auf ein erfülltes, glückliches Leben zurückblicken zu können, dem wird es leichter fallen, von dieser Lebensbühne wieder abzutreten.

            Ich denk mir, das macht keinen Unterschied. Im besten Fall stirbt man im Schlaf und merkt gar nicht, daß man tot ist. Sollte einen der Tod aber im Wachsein überraschen, so hat man sicherlich andere Prioritäten als an ein erfülltes Leben zu denken. Insofern bleibt es bei einem netten Gedanken, nicht mehr. Sobald man tot ist und das Gehirn alle seine Funktionen eingestellt hat, spielt all das "erfüllte Leben" genausowenig eine Rolle wie ein "unerfülltes". Es ist einfach egal.

            Aber im Großen und Ganzen würde ich Ihre Darlegungen, ohne großartig weiter drüber nachzudenken, unterschreiben.
            .

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              Uwe Lehnert

              Lieber Herr Frost,

              ich denke, dass konstruktive Kritik halt immer überzeugender ist als bloße Kritik, die sich in bloßer Ablehnung äußert. Insofern ist es m.E. schon glaubhafter, wenn man eine Alternative versucht so klar wie möglich zu beschreiben. Das zeigt, dass man sich ernsthaft Gedanken gemacht hat und nicht das andere nur negiert.

              Das rational-logische, systematische und empiriegestützte Denken hat sich grundsätzlich in der gesamten Wissenschaft, vor allem in den Naturwissenschaften bewährt. Insofern dürfte es also auf alle Bereiche der Wirklichkeit erfolgreich anwendbar sein.

              Das „Bestmögliche aus meinem Leben machen“ bedeutet sicher für jeden Menschen etwas anderes. Es hängt mit dem zusammen, was ein Mensch als Sinn des Lebens ansieht. Selbst der Mensch, der nicht darüber nachdenkt, was der Sinn des oder seines Lebens sein könnte, wird in der Regel in seinem Leben etwas tun, was ihn erfüllt. Unabhängig davon, wie andere dessen Tun bewerten mögen. Ich habe an anderer Stelle ausführlicher darüber nachgedacht, was für den Einzelnen „das Beste“ sein könnte. Es gehört zur Freiheit bzw. zur Selbstbestimmung, dass er das seiner persönlichen Sicht versuchen darf anzupassen.

              Ich denke, dass es am Ende des Lebens hilfreich und tröstend sein kann, so Abschied nehmen zu können, dass man das Gefühl haben kann, mit seinem Leben etwas Sinnvolles, im Interesse anderer, nicht nur für sich selbst, erreicht oder geschafft zu haben. Ich habe wiederholt in Biographien gelesen, dass Menschen angesichts des eigenen Endes traurig bis verzweifelt waren, nichts aus ihrem Leben gemacht zu haben. Aber Sie haben Recht, das sollte jedem überlassen bleiben, worin er im Leben Befriedigung und Erfüllung erlebt.

              Das Ende kann im Schlaf kommen, es kann ganz schrecklich verlaufen, sodass Gedanken wie eben formuliert, sich überhaupt nicht einstellen (können). Es kann aber so ablaufen, wie ich es auch schon miterlebt habe, dass Menschen in Zufriedenheit zurückschauten, sich an Schönes erinnerten und dankbar waren, im Großen und Ganzen ein erfülltes Leben gehabt zu haben. Man kann daraus für sein eigenes Leben lernen.

              In einem Punkt dürften Sie natürlich Recht haben, dass nach dem Tod für diesen Menschen nichts mehr von Bedeutung ist. Aber ist es nicht so, dass es uns zu Lebzeiten nicht gleichgültig ist, was nach unserem Tod unsere Umwelt über uns denkt und spricht?

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                Hard Frost

                Lieber Herr Frost,

                haha, danke.

                ich denke, dass konstruktive Kritik halt immer überzeugender ist als bloße Kritik, die sich in bloßer Ablehnung äußert. Insofern ist es m.E. schon glaubhafter, wenn man eine Alternative versucht so klar wie möglich zu beschreiben. Das zeigt, dass man sich ernsthaft Gedanken gemacht hat und nicht das andere nur negiert.

                Das ist aber nicht das, was ich meinte. Es ging eher darum, wie man auf rhetorischer Ebene mit Kritik umgeht. Und bei einigen Behauptungen ist es am einfachsten, sog "Hitchens' Razor" zu benutzen: Was ohne Evidenz behauptet werden kann, kann auch ohne Evidenz verworfen werden. Oder so ähnlich. Sollte ich dagegen Ihre o.a. Aussage als Maxime benutzen wollen, so begäbe ich mich in der Diskussion "Gott existiert" unnötigerweise in eine Position, in der ich eine bessere Alternative anbieten muß, obwohl die Pro-Seite keinerlei Evidenz mitbringt - und im Grunde nur die Alternative "Man weiß es nicht" existiert. So eine Diskussion kann man dann aber nur verlieren, weil diese ja de facto ebensowenig eine Erklärung bietet wie die erste; die erste bietet eine Erklärung - auch wenn sie nur einer oberflächlichen, naiven Betrachtung stand hält. Verstehen Sie, was ich meine?
                Und damit wären wir ja schon beim Punkt "konstruktive Kritik". Wie soll man denn bei einer Gotteshypothese irgendeine Kritik konstruktiver Form anbringen können, wenn man die Grundhypothese im Grunde ablehnt? Der Vertreter der These wird dann zwangsläufig jede Art von Kritik als "destruktiv" empfinden müssen.
                Ich lehne die Begriffe "konstruktiv" und "destruktiv" in Verbindung mit "Kritik" ab. Für mich ist Kritik entweder substantiiert oder unsubstantiiert (als Enden eines Ranges). Wenn jemand einfach zu einem Musikstück meinetwegen "Scheiße" sagt, so hat das Ganze wenig Substanz und so gut wie keine Maßgeblichkeit. Kann er aber unter Zuhilfenahme von zB kulturellen und technischen Zusammenhängen begründen, warum das Musikstück Scheiße ist, dann sieht die Sache schon ganz anders aus.

                Das rational-logische, systematische und empiriegestützte Denken hat sich grundsätzlich in der gesamten Wissenschaft, vor allem in den Naturwissenschaften bewährt. Insofern dürfte es also auf alle Bereiche der Wirklichkeit erfolgreich anwendbar sein.

                Sicher, das streite ich auch nicht ab. Aber imho kommt es oft genug vor, daß man fälschlicherweise annimmt, man würde rational-logisch denken, es aber doch nicht tut - und es auch nicht merkt, daß man es nicht tut. Es gibt ja auch genug Gotteshypothesenverfechter, die genau das behaupten, daß eine Gotteshypothese vollkommen rational sei (William Lane Craig zB oder auch John Lennox). Das kann natürlich jedem passieren, zB durch falsche Beobachtung, unidentifizierter Confirmation Bias,..

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              Norbert Schönecker

              Sehr geehrter Herr Lehnert!

              Einige Fragen hätte ich zu Ihrem Konzept:

              "Ich bin höchst skeptisch allem gegenüber, was für sich Gültigkeit, ja Wahrheit beansprucht, ohne dafür wenigstens plausible Gründe angeben zu können."
              - Gilt das auch für die Liebe, die üblicherweise ohne plausible Gründe auftaucht?
              Erich Frieds Gedicht "Was es ist" stellt den Gegensatz zwischen "rationaler, logischer und systematischer Denkweise" (Fried nennt Vernunft, Berechnung, Einsicht und Erfahrung) und der Liebe dar. Er kommt zu dem Ergebnis: "Es ist, was es ist, sagt die Liebe." Ich interpretiere das so: Es gibt im menschlichen Leben Phänomene, die aller Rationalität widersprechen und dennoch Anspruch auf ihren Platz und somit auch auf "Gültigkeit" haben. Sie sind einfach da. Die Liebe ist so ein Phänomen.
              Würden Sie Erich Fried und meiner Interpretation da zustimmen?

              "Das bedeutet, dass man sich um der Gerechtigkeit und des sozialen Friedens willen immer zu fragen hat: Was ist gleichermaßen gut und akzeptabel für alle Betroffenen."
              - Diese Forderung kann ich inhaltlich voll unterstützen. Aber mir fällt auf, dass Sie die Gerechtigkeit voraussetzen. Warum aber sollte denn ein einzelner Mensch überhaupt gerecht sein wollen? Von Natur aus ist der Mensch zunächst ein Egoist, er hält zu sich selbst, dann zu seiner Familie und seinen Freunden. Dann ist Schluss.
              Den Teil mit dem sozialen Frieden kann ich verstehen, weil er auch dem Egoisten nützt.
              Aber Rassismus und Kolonialismus nützen Europäern ebenfalls, bis heute. Warum sollten Europäer das aufgeben, aufgrund einer nicht näher begründbaren "Gerechtigkeit"?

              "Zu offenkundig ist dieses religiöse Versprechen (des Lebens nach dem Tod, Anm.) für ihn bloßes Wunschdenken."
              Hier habe ich nur eine Ergänzung: Für viele (ich glaube, für die meisten) Religionen ist das Leben nach dem Tod keineswegs immer ein Wunschdenken, sondern ein Grund zur Angst oder zur Verzweiflung. In nenne die Schattenreiche der Germanen und der Kelten; die Höllenvostellungen des Christentums und der Griechen (Tartaros); das leidvolle Samsara (ewige Wiedergeburt), aus dem Buddhisten erlöst werden wollen.
              Die Grundlage dieser Vorstellungen ist wohl, dass Menschen ihren Körper und ihr Ich nicht als ein und dasselbe wahrnehmen.
              In den Jenseitsvorstellungen der frühesten Kulturen spiegelt sich v.a. die Angst vor dem Unbekannten (ein nebliges Geister-Jenseits). Später kommt die Vorstellung von Lohn und Strafe (Himmel und Hölle). Dann, religionsgeschichtlich gesehen, die Hoffnung auf eine Erlösung von allem Leid (Nirvana). Die religiöse Vorstellung eines Lebens nach dem Tod ist also weit mehr als bloßes Wunschdenken.

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                Uwe Lehnert

                Lieber Herr Schönecker,

                die „Liebe“ ist in christlichen Kreisen ein gern benutztes Thema, das angeblich ein Phänomen beschreibt, das wir nicht erklären könnten, folglich irgendwie göttlicher Natur sein muss. Ich sehe das viel nüchterner. Die Liebe zu einem anderen Menschen, mit dem ich gern zusammenleben möchte, erklärt sich schlicht und einfach aus hormonellen Vorgängen. Diese sind reichlich erforscht und erklären vollständig, was da in zwei sich liebenden Menschen vor sich geht.

                Das muss dem nicht widersprechen, was Erich Fried beschreibt. Nur seine Erklärung, dass sich hier Rationalität und das Phänomen Liebe widersprächen, halte ich für falsch, zumindest für unnötig.

                Ich weiß, was Sie jetzt denken: Mir würde sich die Großartigkeit dieser göttlichen Gabe der Liebe nicht erschließen. Ich freue mich jedoch auch, sie machte mich einst auch sehr glücklich. Aber wenn ich weiß, welche physiologischen Vorgänge dem zugrunde liegen, bedeutet das für mich dennoch keinerlei Abwertung solcher das Leben bereichernder Gefühle.

                Ein Beispiel vergleichbarer Art: Üblicherweise ist man davon überzeugt, dass zum Beispiel der mit ästhetischem Vergnügen beobachtete Sonnenuntergang am Meer in all seiner Pracht genauso auch dann vorhanden ist, wenn ihn niemand anschaut. Dem »naiven« Realisten ist nicht bewusst, dass dieses schöne Bild nur in seinem Kopf existiert. Zwar sind Sonne, Meer und Wolken materiell vorhanden, auch die Strahlung, die von der Sonne ausgeht, aber diese von uns als wunderschön erlebte Komposition von Formen, Licht und Farben gibt es objektiv so nicht, sie ist eine Konstruktion unseres Gehirns. Meine Freude an einem solchen Sonnenuntergang ist dennoch nicht geschmälert durch mein Wissen, wie er physikalisch und psychologisch zustande kommt. Wer das bejaht, wünscht sich den Zustand kindlicher Unkenntnis und paradiesischer Unschuld zurück.

                Ihre Bedenken bezüglich des Begriffs Gerechtigkeit sind natürlich berechtigt. Die Komplexität seiner Anwendung im praktischen und politischen Leben lässt hier keine einfachen Lösungen zu. Deswegen ergänze ich ja meine Forderung auch durch den Satz: Das bedeutet, dass man sich um der Gerechtigkeit und des sozialen Friedens willen immer zu fragen hat: Was ist gleichermaßen gut und akzeptabel für alle Betroffenen.

                Was den letzten Absatz Ihres Kommentars betrifft, das „religiöse Versprechen des Lebens nach dem Tod“, so beziehe mich nur auf das der christlichen Lehre. Diese warnt vor der Hölle und lockt mit dem Paradies. Wobei die Kirche die Hölle inzwischen derart abstrakt darstellt, teilweise nur noch als „Zustand der Gottferne“ bezeichnet, dass sie längst nicht mehr den Charakter finsterster und schlimmster Drohung zeigt. (Die Kirche wird ihre Gründe haben!). Meistens wird nur noch die schöne paradiesische Aussicht vorgestellt. Ich bezeichne das halt als Illusion, als Wunschdenken. Ob ich Recht habe, kann ich nur behaupten, allenfalls plausibel machen, beweisen kann ich es nicht. Sie können aber auch nur darauf hoffen.

                Die Idee des Nirvana spiegelt das Denken von Abermillionen Menschen wider, die zeitlebens die Last des lebenslangen Leidens zu erdulden hatten. Ich denke, dass das unser „Schicksal“ sein dürfte.

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                  Norbert Schönecker

                  S.g. Herr Prof. Lehnert!

                  Selbst wenn man die Liebe (im Fall von Frieds Gedicht: die erotische Liebe mit all ihren Folgen) als Produkt von hormonellen Vorgängen betrachtet, ergänzt womöglich durch kulturelle Konventionen und kindliche Familienprägungen, dann ist das Ergebnis, das verliebte oder liebende Menschen wahrnehmen, dennoch weit weg von "rationaler, logischer und systematischer Denkweise". Es ist völlig irrational, und dennoch beansprucht es Gültigkeit. Für die meisten Menschen hat die Liebe in ihrem Leben sogar einen wichtigeren Platz als alle rationalen Erkenntnisse. Und ich halte das nicht etwa für irrsinnig, sondern für menschlich. Da ich ein Mensch bin und kein Vulkanier, muss ich das einfach zur Kenntnis nehmen.
                  Dass Sie persönlich aufgrund Ihres Lobs der Rationalität nicht dazu fähig wären, spirituelle Dimensionen (wie z.B. die Liebe, die über bloßes Verliebtsein hinausgeht, oder auch berauschende Kunsterfahrungen) wahrzunehmen, würde ich Ihnen nie unterstellen. Schließlich haben Sie selbst im Artikel betont, dass auch Humanisten für spirituelle Erfahrungen offen sind. Sie suchen eben deren Ursachen im Gehirn, und ich suche woanders. Sie suchen dort, wo die Naturwissenschaften hinzeigen, und ich suche dort, wo meine höchstpersönliche subjektive Erfahrung und die Erfahrung zig Millionen anderer Menschen hinzeigt.

                  Zur Gerechtigkeit für alle Menschen: Moderne Satanisten (z.B. Anton Szandor LaVeys Church of Satan, letztere mit übersichtlichem Wikipedia-Eintrag) sind überraschenderweise strenge Naturalisten und landen mit ihrem Naturalismus beim Sozialdarwinismus. Mir erscheint das plausibel. Sie und andere Humanisten landen hingegen bei Solidarität und Gerechtigkeit. Warum? Wie könnten Sie gegenüber einem Satanisten z.B. die goldene Regel begründen? Es interessiert mich wirklich; schließlich gibt es weit mehr Humanisten als Satanisten, aber ich kapiere letztere besser.

                  Die Erklärung, dass Sie sich mit dem religiösen Wunschdenken auf das Christentum der Gegenwart bezogen, lasse ich gelten. Deshalb war mein obiger Absatz auch nur eine Ergänzung. In der landläufigen kirchlichen Praxis ist beim Thema Jenseits tatsächlich das Wunschdenken stärker präsent als die Botschaft der Evangelien, und Beweise haben wir wirklich keine.

                  Hochachtungsvoll
                  Schönecker

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                    Uwe Lehnert

                    Sehr geehrter Herr Schönecker,

                    Sie sagen oben: „…dann ist das Ergebnis, das verliebte oder liebende Menschen wahrnehmen, dennoch weit weg von "rationaler, logischer und systematischer Denkweise". Es ist völlig irrational, und dennoch beansprucht es Gültigkeit.“

                    Ich sehe da keinen Widerspruch. Für mich lässt sich auch die Liebe wissenschaftlich erklären. Wenn Sie darüber hinaus mehr hineindeuten, zum Beispiel eine göttliche Dimension von Bedeutung, dann sei es Ihnen unbenommen. Ich kann damit leben, wenn andere das so sehen.

                    Von Satanismus weiß und verstehe ich nichts. Ehrlich gesagt, es interessiert mich auch nicht. Aber sie fragen, wie ich gegenüber einem Satanisten die goldene Regel begründen würde. Ganz einfach: Mit dem Wunsch nach sozialen Frieden in einer Gesellschaft.

                    Unsere letzten Kommentare haben gezeigt, dass es zwar erhebliche Differenzen in unseren Ansichten gibt, ich stelle aber fest, dass diese in der Praxis des Zusammenlebens in einer Gesellschaft keine Rolle spielen müssen. Wichtig für das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher religiöser oder weltanschaulicher Einstellung ist der Respekt vor dem anderen Menschen bei gleichzeitiger Akzeptanz des Bestehens unterschiedlicher Auffassungen zu Gott und der Welt.

                    An anderer Stelle habe ich das mal so ausgedrückt: Der unbedingte Respekt vor dem anderen Menschen – welcher Herkunft, welchen Glaubens, welcher Orientierung er auch immer sein mag – schließt Kritik an dessen Ansichten für mich keinesfalls aus. Respekt meint, dass ich den anderen als Mensch so behandele, wie ich behandelt werden möchte, und dass ich seine Position als persönliche Meinung toleriere. Tolerieren in diesem Sinne heißt, formal zu akzeptieren, dass er das Recht auf einen eigenen, von dem meinen abweichenden Standpunkt hat. Inhaltlich jedoch erlaube ich mir, die Meinung des anderen mit Argumenten zu kritisieren, gegebenenfalls sogar entschieden abzulehnen.

                    Auf eine kurze Formel gebracht: Unbedingter Respekt vor dem anderen Menschen, nur bedingter, gegebenenfalls kein Respekt vor dessen Auffassungen. Dennoch: Sofern sie keinen religiös-politischen Alleinvertretungsanspruch erheben, müssen in einem demokratischen Gemeinwesen unterschiedliche religiöse bzw. weltanschauliche Lebenskonzepte nebeneinander bestehen dürfen. Daraus entstehende Konflikte sind im Geiste unseres Grundgesetzes auszutragen. nach allem, was Sie bisher gesagt haben, denke ich, dass Sie das sehr ähnlich, vielleicht sogar ganz genau so sehen.

                    Es wird Sie vermutlich interessieren, dass ich in der letzten Folge dieser Beitragsreihe das Thema behandele, was uns säkulare Humanisten trotz aller Differenzen dennoch auch mit gläubigen Christen verbindet.

                    Freundliche Grüße nach Wien,
                    Uwe Lehnert

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                      Norbert Schönecker

                      S.g. Herr Professor Lehnert!

                      Der Bereich "Liebe" dürfte geklärt sein. Wir sind uns darin einig, dass sie sehr irrational aussieht. Sie, Herr Lehnert, meinen, dass sie zur Gänze auf natürlichen und erforschbaren, evtl. sogar prinzipiell vorhersagbaren Vorgängen beruht (hoffentlich habe ich da nicht zu viel hineininterpretiert), ich hingegen halte sie für einen geistigen und somit übernatürlichen Vorgang. Wir halten beide die Meinung des jeweils anderen zwar für falsch, können aber damit leben.
                      Ich habe ja auch nichts dagegen, hormonelle Vorgänge zu erforschen. Sie haben wahrscheinlich nichts dagegen, dass die Liebe mit Liedern besungen wird.

                      Das Argument des Wunsches nach sozialem Frieden ist völlig einleuchtend, auch für einen puren Egoisten - solange der soziale Friede die eigene Umgebung betrifft. Sozialer Friede in Afrika wird hingegen einem nordamerikanischen Satanisten egal sein, solange der Goldpreis nicht darunter leidet.
                      Ob ein sozial stabiles Afrika mit blühender Wirtschaft insgesamt für Nordamerika lukrativer wäre als ein krisengeschütteltes und ausgebeutetes Afrika, ist eine für mich zu schwierige wirtschaftliche Frage. Aber einige Menschen profitieren von den dortigen Kriegen sehr. Warum sollten diese Menschen sich ein Ende der Kriege wünschen? Die Aktien von Shell und BP würden einbrechen! Furchtbar! (Für alle Leser: Achtung, Zynismus!)

                      Eine Dialogkultur wie mit die mit Ihnen hätte ich seit Beginn meiner Kommentartätigkeit hier und beim hpd erhofft. Ja, auf dieser Basis können weltanschauliche Lebenskonzepte nebeneinander bestehen. Und die Menschen verschiedener Weltanschauungen können nicht nur nebeneinander, sondern sogar miteinander leben! Ich hoffe, ich kann Ihnen ebenfalls den Respekt für Sie als Mensch vermitteln, den ich bei Ihnen wahrnehme.

                      Hochachtungsvoll
                      Schönecker

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                    Meinrad Locher

                    Lieber Herr Lehnert

                    Zitat: "Und es gilt vor allem deswegen Gutes zu tun, weil es gut ist, nicht, weil eine Gottheit ganz hoch oben Belohnung verspricht."

                    "Belohnung" weist zu einem problematischen Gottesverständnis. In der Bibel wird "Verheissung" verwendet und Jesus spricht vom "Lohn" im Himmel; beides erachte ich für semantisch zutreffender. Wir sollen uns mit einem guten (christlichen) Leben für das Jenseits als würdig erweisen. Damit ist nicht blosses Streben nach Belohnung gemeint. Nein, es geht vielmehr um die Gesinnung (vgl. Bergpredigt). Mit der richtigen Gesinnung erschliesst es sich, Gutes zu tun, weil es gut ist. - Sie weisen mit Ihrer Aussage in dieselbe Richtung wie der Glaube.

                    Zitat: "Wer Religionen ablehnend gegenübersteht, auch die Idee eines Jenseits verwirft, meidet eher das Nachdenken über Themen, die den Alltag »transzendieren«, Fragen, die
                    sozusagen die »letzten Dinge« betreffen."


                    Wie bereits der Theologe Dr. Johannes Hartl auf den Punkt gebracht hat: Woher nimmt man den Optimismus und die Zuversicht, sich von der naturwissenschaftlichen Beschreibung des Kosmos letzte Antworten auf Herkunft und Zweck der Welt und namentlich des menschlichen Lebens zu erhoffen?
                    In diesem Sinne ist auch ein naturalistischer Humanismus dogmatisch und im Denken zirkulär. Nachdem einmal axiomatisch festgesetzt wurde, dass nur die Wissenschaft und die strenge logische Deduktion sichere Erkenntnisse liefern können, werden die Aussagen des Glaubens dekonstruiert, weil sie sich ja eben diesen Gesetzmässigkeiten entziehen. (Ja, auch dieses Votum stammt von Dr. Johannes Hartl.)

                    Zitat: "Meine strikte Diesseitsorientierung basiert auf der Einsicht, dass ich höchstwahrscheinlich nur dieses eine Leben habe. Folglich sollte ich versuchen, das Bestmögliche aus meinem Leben zu machen. Dieses Streben nach Erfüllung meines Lebens muss aber immer auch den Mitmenschen im Blick haben, der ebenso glücklich werden will."

                    Wem oder welcher Instanz soll das Streben oder der Wunsch nach einem sinnvollen und
                    erfüllten Leben geschuldet sein? Mir und meiner absoluten Vergänglichkeit selber? - Ein Nullsummenspiel! Weshalb soll Gerechtigkeit angestrebt werden, wenn die Existenz unwiderruflich zu Ende ginge und über den Lebenswandel keinerlei Rechenschaft abgelegt werden müsste? Ungerechtigkeiten würden konsequenzenlos getilgt, genauso der Nutzen für Mitmenschen, welche Gerechtigkeit erfahren durften sowie das "befriedigende Gefühl" der Gerechten. Ohne Glaube entsteht ein Nihilismus, welcher Moral und Ethik erodieren lässt und letztlich in Faustrecht, Anarchie und Totalitarismus mündet.
                    Es muss eine Instanz geben, die uns das Gefühl für Moral und Ethik eingegossen hat und zu welcher die geistigen Auswirkungen hinstreben.

                    Zusammenfassend deuten Ihre Moralvorstellung und Ihr Weltbild m.E. über den naturalistischen Humanismus und über die Wissenschaft hinaus!

                    Antworten

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                      Uwe Lehnert

                      Lieber Herr Locher,
                      Antwort folgt sobald wie möglich.

                      Antworten

                      1. userpic
                        Uwe Lehnert

                        Lieber Herr Locher,

                        Sie begründen, warum ein Christ Gutes tut. Dabei argumentieren Sie aus der Perspektive eines aufgeklärten Christen. Das ehrt Sie. In der Bibel steht das aber so nicht. Dort gilt: Gut ist, was Gott verlangt. Mit welcher Inbrunst wurden seinerzeit die Kreuzzüge begründet und veranstaltet, die grausamen Prozeduren im Rahmen der Inquisition und „Hexen“verfolgung durchgeführt. Man berief sich auf Bibelstellen und war der festen Überzeugung, Gott damit zu dienen. So mancher radikale Muslim, der andere Menschen in die Luft sprengt, tut das, weil Mohammed bzw. Allah die Ungläubigen hasst. Dahinter steht immer der Gedanke, was Gott verlangt, ist per definitionem gut. Gott als Inbegriff der Liebe und Barmherzigkeit kann – angeblich – gar nicht anders als „Gutes“ zu verlangen. Es verbietet sich geradezu, in Frage zu stellen, dass ein Gebot von Gott unmoralisch sein könnte. Für einen Humanisten, wie ich ihn oben charakterisiere, ist eine Tat dann gut, wenn sie dem betreffenden Menschen als Individuum oder als Mitglied einer Gesellschaft hilft, besser zu leben oder überhaupt am Leben zu bleiben oder dem friedlichen Zusammenleben dienlich ist. Auf diese Weise ist die Evolution vorgegangen, als sie über die Auswahl kooperativ und empathisch handelnder Individuen die Grundlage schließlich moralischen Verhaltens hervorbrachte.

                        Sie kritisieren sodann „den Optimismus und die Zuversicht, sich von der naturwissenschaftlichen Beschreibung des Kosmos letzte Antworten auf Herkunft und Zweck der Welt und namentlich des menschlichen Lebens zu erhoffen“. Weiter fragen Sie, „Woher nimmt man den Optimismus und die Zuversicht, sich von der naturwissenschaftlichen Beschreibung des Kosmos letzte Antworten auf Herkunft und Zweck der Welt und namentlich des menschlichen Lebens zu erhoffen?“

                        Ich frage zurück: Wo sage ich das? Ich spreche von einer spirituellen Dimension, die Fragen aufwirft und thematisiert, die eben gerade nicht rational-wissenschaftlich behandelbar erscheinen. Fragen, die eher gefühlsmäßig und intuitiv, meist ganz persönlich sich stellen und ebenso persönlich beantwortet werden. Die einzige Einschränkung, die ich hier erwähne, ist, dass solche Vorstellungen und Gedanken heutigen Erkenntnissen in Philosophie und Wissenschaft nicht widersprechen sollten. Allenfalls dann, wenn sehr plausible Gründe vorliegen, dass bisherige Antworten nicht befriedigen können.

                        Ich versuche konsequent, jeden Gedanken an eine jenseitige Instanz, die wir angeblich brauchen, um Moral zu begründen, zu vermeiden. Andererseits versuche ich, mir eine gewisse Offenheit zu bewahren, auf Antworten zu stoßen, die mich nicht „ins alte (religiöse) Fahrwasser“ geraten lassen, aber dennoch solche Menschheitsfragen Ernst nehmen.

                        Antworten

                      2. userpic
                        Klaus Steiner

                        Hallo Herr Schönecker,

                        Ihr Zitat: „Von Natur aus ist der Mensch zunächst ein Egoist, er hält zu sich selbst, dann zu seiner Familie und seinen Freunden. Dann ist Schluss.“
                        Weil Sie die Familie ansprechen: W. D. Hamilton beschrieb den Mechanismus der Verwandtenselektion als Erster mathematisch anhand der Hamilton-Regel. Übersetzt heisst das: Wenn es um die Vermehrung der eigenen Gene geht, ist der Einsatz für andere umso lohnender, je enger ein Altruist mit seinen Nutznießern verwandt ist. Damit hat der Altruist mit ihnen auch mehr Gene gemeinsam. Insofern macht eine evolutionäre Theorie des Sozialverhaltens, die den Altruismus als Erklärung für selbstloses Verhalten heranzieht, bei der Versandschaft Schluss – Freunde bleiben hier aussen vor.

                        Ihr Zitat: „Wie könnten Sie gegenüber einem Satanisten z.B. die goldene Regel begründen? Es interessiert mich wirklich; schließlich gibt es weit mehr Humanisten als Satanisten, aber ich kapiere letztere besser.“
                        Was kapieren Sie bei Satanisten besser?

                        Ihr Zitat: „Sie, Herr Lehnert, meinen, dass sie zur Gänze auf natürlichen und erforschbaren, evtl. sogar prinzipiell vorhersagbaren Vorgängen beruht (hoffentlich habe ich da nicht zu viel hineininterpretiert), ich hingegen halte sie für einen geistigen und somit übernatürlichen Vorgang. Wir halten beide die Meinung des jeweils anderen zwar für falsch, können aber damit leben.“
                        Das Geistige (bzw. das Bewusstsein) betrachten Naturalisten (oder Matrerialisten) als eine Funktion des Gehirns. Alternativ zur Liebe als übernatürlichen Vorgang kann das Bindungshormon Oxytocin das, was in den Bereich „Liebe“ fällt, erklären. In der neurocchemischen Forschung wird Oxytocin beim Menschen mit psychischen Zuständen wie Liebe in Zusammenhang gebracht (Quelle: Wikipedia). Wozu ist eine übernatürliche Erklärung notwendig, wenn das Zustandekommen von Liebe auch neurochemisch erklärt werden kann? Dass es sich bei der Liebe um einen neurochemischen Vorgang handelt, macht die Tatsache der Liebe deshalb noch lange nicht weniger wertvoll!

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                        1. userpic
                          Norbert Schönecker

                          S.g. Herr Steiner!

                          Zum Thema Altruismus für Familie/Freunde:
                          Die evolutionär entstandene selbstlose Hilfe für Lebewesen, die die eigenen Gene tragen (Kinder, Eltern, Geschwister, am meisten Zwillinge, z.b. bei Ameisen) ist völlig einleuchtend.
                          Da viele Menschen aber über ihre angeborenen Instinkte hinausdenken, erscheint mir auch Altruismus für Freunde ganz natürlich, weil ich dann umgekehrt selbst von ihnen einmal Hilfe bekommen kann. Bei Menschen, denen ich vertraue, geht das.

                          Was ich bei Satanisten besser kapiere, ist deren Ethik. Sie beruht streng auf der Natur. Der Mensch wird als eine biologische Spezies betrachtet und soll sich entsprechend natürlich verhalten. Das heißt zum Beispiel: Schwaches muss sterben, damit Starkes nachwachsen kann. Deshalb ist es unethisch, Schwaches zu schützen. Freundschaften werden gepflegt, weil sie stärken; Feinde werden vernichtet, weil sie schwächen. Der natürliche Überlebenskampf als Grundlage der Ethik ist sofort verständlich, wenn man den Menschen als einen Teil der Natur und als eine Tierart unter anderen betrachtet. "Gerechtigkeit", "Nächstenliebe" oder "Solidarität mit Schwachen" hingegen müssen erst mühsam erklärt werden.

                          Darüber, ob chemische Vorgänge im Gehirn (scheinbar) geistige Vorgänge verursachen; ob letztlich das, was wir für Geist halten, in Wirklichkeit nur ziemlich komplexe Chemie ist; oder ob umgekehrt die geistigen Vorgänge das Original und die chemischen Vorgänge nur deren Begleiterscheinungen sind; darüber werden wir uns wohl nicht einig werden. Zur Illustration meiner Ansicht: Wenn ich einen Baum sehe, dann geschieht in meinem Gehirn eine ganze Menge. Vom Sehnerv kommen Reize in mein Gehirn, dort wird mit früheren Eindrücken verglichen, das Bild wird aus Erfahrungen ergänzt, es melden sich sprachliche und logische Hirnbereiche zu Wort, bis zuletzt in meinem Verstand der Begriff "Baum" entsteht, der mit dem, was meine Netzhaut wahrgenommen hat, vielleicht gar nicht mehr viel zu tun hat. Aber trotz alledem steht da draußen im Garten wirklich und wahrhaftig ein echter Baum! Und genauso könnte es mit meinem Geist sein, der mit meinem Gehirn verbunden ist.
                          Meine Gehirntätigkeit widerlegt die Existenz des Baumes nicht. Warum sollte sie die Existenz meines Geistes widerlegen?
                          Natürlich ist es auch denkbar, dass mein Geist, mein Ich, mein Über-Ich und mein Gewissen nur hartnäckige Illusionen sind. Aber warum sollte ich annehmen, dass meine eigene Natur mich derart täuscht?

                          Hochachtungsvoll
                          Schönecker

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                          1. userpic
                            Hard Frost

                            Deshalb ist es unethisch, Schwaches zu schützen. Freundschaften werden gepflegt, weil sie stärken; Feinde werden vernichtet, weil sie schwächen. Der natürliche Überlebenskampf als Grundlage der Ethik ist sofort verständlich, wenn man den Menschen als einen Teil der Natur und als eine Tierart unter anderen betrachtet.

                            Ist das, was Sie unter Evolution verstehen? Das scheint mir ein eher naives Verständnis der Zusammenhänge zu sein...

                            1. userpic
                              Norbert Schönecker

                              @ Hard Frost

                              "Ist das, was Sie unter Evolution verstehen? Das scheint mir ein eher naives Verständnis der Zusammenhänge zu sein..."

                              - Nein, das ist nicht das, was ich unter Evolution verstehe, Das ist das, was ich unter Selektion verstehe.

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                                Hard Frost

                                Deshalb ist es unethisch, Schwaches zu schützen. Freundschaften werden gepflegt, weil sie stärken; Feinde werden vernichtet, weil sie schwächen. Der natürliche Überlebenskampf als Grundlage der Ethik ist sofort verständlich, wenn man den Menschen als einen Teil der Natur und als eine Tierart unter anderen betrachtet.
                                und Das ist das, was ich unter Selektion verstehe.

                                Ich bleibe dabei, es ist ein naives Verständnis von den Beziehungsgeflechten, mit denen wir uns als biologische und auch soziale Wesen herumschlagen müssen.
                                Aber wenn Sie sowas sagen, dann hab ich eher das Gefühl, Sie denken an sowas:
                                https://www.youtube.com/watch?v=mSRdIRv4eIo
                                Sie sollten sich mal Cronenberg-Filme ansehen. Vordergründig ist das immer sehr BodyHorror, aber sie haben fast immer eine Art moralische Komponente, einen Leitfaden, der sich durch den Film zieht...

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                                  Norbert Schönecker

                                  @ Hard Frost

                                  Eher am Rande denke ich auch an so etwas. Oder, wenn schon an Insekten, dann an Ameisen, weil sie mich faszinieren (aber nicht im dem Sinn, dass ich gerne eine wäre).
                                  Da wir Menschen aber verhältnismäßig wenig mit Insekten zu tun haben, rein von der Gehirnstruktur und der Wahrnehmung her, ist das Beobachten von Affen naheliegender. Und hier ist das Mitgefühl normalerweise recht eng auf nahe Verwandte beschränkt, Hilfe gibt es vorwiegend für ranghöhere Tiere (weil man da eher etwas zurückbekommt), bei Territorialkonflikten kann es zu blutigen bis tödlichen Fehden kommen (das Wort "Krieg" scheint mir übertrieben).
                                  Ich kenne durchaus auch die glaubwürdigen Berichte von der Adoption von Schimpansenwaisen durch nicht verwandte Tiere. Das scheint aber seltener vorzukommen als tödliche Rang- und Territorialkämpfe.
                                  Und auch für Menschen scheint mir, bei oberflächlicher Betrachtung, zu gelten: Je naturnäher Menschen leben, desto weniger Mitgefühl zeigen sie für Tiere und auch für andere Menschen. Da ich hier keineswegs ein Experte bin, lasse ich mich auch vom Gegenteil überzeugen. Aber momentan neige ich zur Annahme: Mitgefühl für alle Lebewesen ist ein Ergebnis kultureller Formung, stammt also nicht aus der menschlichen Natur.

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                                Klaus Steiner

                                Hallo Herr Locher,

                                Ihr Zitat: „Wie bereits der Theologe Dr. Johannes Hartl auf den Punkt gebracht hat: Woher nimmt man den Optimismus und die Zuversicht, sich von der naturwissenschaftlichen Beschreibung des Kosmos letzte Antworten auf Herkunft und Zweck der Welt und namentlich des menschlichen Lebens zu erhoffen? In diesem Sinne ist auch ein naturalistischer Humanismus dogmatisch und im Denken zirkulär.“
                                Ihr Argument ist ein Strohmann. Letzte Antworten wird eine naturalistische Weltsicht nie geben können, da unser Wissen über die Welt fehlbar und beschränkt ist. Es gibt für den Naturalismus keine Letztbegrünung!
                                Was ist ein naturalistischer Humanismus? Für sich genommen stellt der Atheismus noch keine vollständige Weltanschauung dar. Was hier hinzukommen muss, sind säkulare Werte und ein auf der Naturwissenschaft Aufbauendes Verständnis der Welt. In dieser Kombination kommt er dem neuen Humanismus nahe. Man könnte stattdessen auch von einem naturalistischen Humanismus sprechen (Quelle: Wissen statt Glauben, Das Weltbild des neuen Humanismus, Bernd Vowinkel, 2018, Google books). Nun kann ich nicht verstehen, wo der Zirkel des naturalistischen Humanismus liegen soll? Nebenbei handelt es sich bei Ihrer ersten Prämisse ("letzte Antworten") um einen Strohmann. Daher ist auch die Konklusion ("in diesem Sinne ist...") falsch!

                                Ihr Zitat: „Ohne Glaube entsteht ein Nihilismus, welcher Moral und Ethik erodieren lässt und letztlich in Faustrecht, Anarchie und Totalitarismus mündet.“
                                Falsch! Es gibt genügend Instanzen, die mir sagen, was geboten, verboten, erlaubt ist. Für den Naturalisten ist eine Letztbegründung für moralische Normen tatsächlich unmöglich. Das gilt aber auch für göttliche Gebot und Verbote; denn wie kann ich erkennen, dass Gebote wirklich von Gott stammen, und was kann mich überzeugen, dass ich gerade diesen Geboten folgen sollte? Eine relative Begründung ist jedoch möglich, wenn und soweit wir uns auf einige Grundnormen einigen. Zu einer naturalistischen Moralbegründung gehören zunächst einmal Symmetrieprinzipien wie die Forderung der Verallgemeinerbarkeit, die Goldene Regel, Kants Kategorischer Imperativ, der Schleier der Unwissenheit oder das Prinzip der Fairness bei John Rawls, oder eine vernünftige Verteilung der Begründungslast (einer Begründung bedarf dabei nicht die Gleichbehandlung, sondern die Ungleichbehandlung). Brückenprinzipien ermöglichen einen Übergang von Fakten zu Normen (Sein-Können-Prinzip: Normen sollten befolgt werden können; über sein Können hinaus ist niemand verpflichtet). Während Symmetrieprinzipien häufig diskutiert werden, sind Natur und Rolle von Brückenprinzipien noch weitgehend unbekannt. Ihre Rolle hat zuerst Hans Albert betont. All diesen genannten naturalistischen Ethik-Ansätzen ist gemeinsam, dass sie auf metaphysische Begründungsinstanzen verzichten und deshalb eine Letztbegründung weder anstreben noch liefern (Quelle: https://de.richarddawkins.net/articles/gott-im-fadenkreuz-eine-rezension).

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                                  Meinrad Locher

                                  Guten Tag Herr Steiner

                                  Ihr Zitat: "Ihr Argument ist ein Strohmann. Letzte Antworten wird eine naturalistische Weltsicht nie geben können, da unser Wissen über die Welt fehlbar und beschränkt ist. Es gibt für den Naturalismus keine Letztbegründung!"

                                  Einverstanden. Das sehen allerdings nicht alle Atheisten und Naturalisten so!

                                  Ihr Zitat: "Was ist ein naturalistischer Humanismus?"

                                  Das habe ich aus Herrn Lehnerts Schlusswort entlehnt, wo den Begriff "naturalistisch-humanistische Weltanschauung" prägt. Ich finde diese Wendung treffend für gemässigt oder undogmatische Atheisten.

                                  Ihr Zitat: "Es gibt genügend Instanzen, die mir sagen, was geboten, verboten, erlaubt ist."

                                  Der Atheismus zerstört die Moral nicht notwendigerweise, zumal es auch ohne Gottesglauben möglich ist, moralisch zu handeln. Alle Menschen haben ein Gewissen, haben eine Gespür für Würde und Werte und können gut und böse unterscheiden. In der katholischen Theologie wird hier vom Naturrecht gesprochen, welches der natürlichen Vernunft zugänglich ist.
                                  Das Problem aber ist, dass jede naturalistische Erklärung die Moral wegdeutet. Für Nietzsche war die Moral eine Erfindung der Schwachen, um sich vor den Stärkeren zu schützen. Für Evolutionisten ist die Moral ein blosser Trick der Natur im Überlebenskampf. Für Psychologisten ist die Moral ein Produkt der Erziehung. In all diesen Fällen wird der Spruch des Gewissens in etwas anderes umgedeutet: Er ist nicht mehr das Produkt einer objektiv bestehenden Verpflichtung, sondern ein Natur-, Erziehungs- oder Gesellschaftsprodukt. Er verliert seine bindende Kraft in jenem Moment, in dem er als solches wahrgenommen wird und die Frage, ob man sich darüber hinwegsetze oder nicht, wird eine Frage des berechnenden Kalküls.

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                                    Hard Frost

                                    In all diesen Fällen wird der Spruch des Gewissens in etwas anderes umgedeutet: Er ist nicht mehr das Produkt einer objektiv bestehenden Verpflichtung, sondern ein Natur-, Erziehungs- oder Gesellschaftsprodukt. Er verliert seine bindende Kraft in jenem Moment, in dem er als solches wahrgenommen wird und die Frage, ob man sich darüber hinwegsetze oder nicht, wird eine Frage des berechnenden Kalküls.

                                    Fall ich in eine andere Religion überwechsele, dann existieren dort doch auch andere Moralvorstellungen, die ich übernehme. Wo bitte ist denn irgendwas letztendlich bindend, und zwar so bindend, daß es quasi unumstößlich ist?

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                                    Klaus Steiner

                                    Hallo Herr Locher,

                                    Ihr Zitat: „Das Problem aber ist, dass jede naturalistische Erklärung die Moral wegdeutet. … Er ist nicht mehr das Produkt einer objektiv bestehenden Verpflichtung, sondern ein Natur-, Erziehungs- oder Gesellschaftsprodukt. Er verliert seine bindende Kraft in jenem Moment, in dem er als solches wahrgenommen wird und die Frage, ob man sich darüber hinwegsetze oder nicht, wird eine Frage des berechnenden Kalküls.“
                                    Nun könnte ich aus ihrem Text lesen, dass Sie aus der Tatsache, dass die Moral als Natur-, Erziehung- oder Gesellschaftsprodukt erklärt werden kann, schliessen, es handle sich hier um eine Reduktion.
                                    Erst einmal müsste man prüfen, ob das Erkenntnisideal neuzeitlicher Naturwissenschaft wirklich das „Entlarven“, ob Erklären wirklich Wegerklären ist, ob Reduktion wirklich eine Herabstufung beabsichtigt oder bewirkt. Man müßte prüfen, ob mit der Analyse wirklich schon eine Entwertung verbunden ist und ob diese wirklich Missachtung, Misshandlung und Zerstörung nach sich zieht.
                                    Da aus dem Erkennen kein Werten, aus dem Sein kein Sollen folgt, darf man auch dem erfolgreichsten und hartnäckigsten Reduktionisten nicht unterstellen, er betreibe eine Entlarvung, eine Abwertung, eine Zerstörung seiner Erkenntnisgegenstände.
                                    Eine moralische Bewertung kann eben nicht über die Wahrheit irgendeiner faktischen Behauptung entscheiden (Quelle: Auf der Suche nach der Ordnung, G. Vollmer, 1995, vgl. S. 96).

                                    Zum Naturprodukt:
                                    Nach der Soziobiologie sind wir - wie alle Lebewesen - darauf programmiert, für die Erhaltung und Vermehrung unserer Erbanlagen, unserer Gene zu sorgen. Selbst dort, wo wir anderen nützen, wo wir uns als sozial oder altruistisch und damit moralisch hochwertig zu verhalten glauben, ist häufig nichts weiter als jener Gen-Egoismus am Werk (Quelle: Auf der Suche nach der Ordnung, G. Vollmer, 1995, S. 53).

                                    Zum Erziehungsprodukt und Gen-Egoismus:
                                    Dass soziobiologisch gesehen der Gen-Egoismus lebe ist richtig. Nur wird der Gen-Egoismus der Eltern in jungen Jahren die Kooperation der Kinder einfordern, während diese ihren eigenen Gen-Egoismus (sie sind zu 100% mit sich selbst verwandt) zurückstecken müssen. Warum? Die Akzeptanz durch Mutter und Familie (auf die das Kind angewiesen ist) ist vor allem auch durch Inaussichtsellung der Übernahme einer Helfer-Rolle zu erzielen (Quelle 1: Evolution des Gewissens, E. Voland, 2014, vgl. S. 194). Die Moralentwicklung erwächst aus Eltern-/Kind-Dialogen und hat mit der Eltern-/Kind-Bindung zu tun - Kinder werden sensibilisiert für die Bedürfnis- und Gefühlslagen anderer (Quelle 1, vgl. S. 79). Kooperative Fortpflanzungsgemeinschaften dürften den Nährboden für die Entwicklung der menschlichen Moralfähigkeit abgegeben haben (Quelle 1, vgl. S. 119).

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                                      Klaus Steiner

                                      Hallo Herr Schönecker,

                                      Ihr Zitat: „Was ich bei Satanisten besser kapiere, ist deren Ethik. Sie beruht streng auf der Natur. Der Mensch wird als eine biologische Spezies betrachtet und soll sich entsprechend natürlich verhalten. Das heißt zum Beispiel: Schwaches muss sterben, damit Starkes nachwachsen kann. Deshalb ist es unethisch, Schwaches zu schützen.“
                                      Möglicherweise unterliegen Sie dem Missverständnis des „survival of the fittest“ - hier wird Fitness fälschlich mit physischer Stärke und körperlicher Größe gleichgesetzt. „Survival of the fittest“ beteutet: „Überleben des Bestangepassten“. Ein einfaches Gegenbeispiel zeigt, dass es bei der Fitness nicht notgedrungen um körperliche Stärke geht. Nach dem Meteoriteneinschlag vor ca. 65 Mio. Jahren haben nicht die großen/starken Dinosaurier, sondern kleine/schwache rattenähnliche Säugetiere überlebt. Außerdem wird unter Fitness auch noch der Reproduktionserfolg verstanden.

                                      Ihr Zitat: „Der natürliche Überlebenskampf als Grundlage der Ethik ist sofort verständlich, wenn man den Menschen als einen Teil der Natur und als eine Tierart unter anderen betrachtet.“
                                      Welche Ethik hat einen natürlichen Überlebens-„kampf“ als Grundlage?
                                      Würde sich der Mensch als „höheres Tier“ betrachten, müsste das zu mehr Mitgefühl seinen Artgenossen gegenüber führen. Dies zeigt sich bei folgenden Beispielen:
                                      Beim Great Ape Projekt möchte der Mensch für die Großen Menschenaffen Grundrechte erstreiten. Die Tierrechtsorganisation Non-Human-Rights-Projekt in den Vereinigten Staaten versucht, dass vor Gericht Schimpansen und Bonobos als Personen anerkannt werden. Somit kann uns Evolutionäre Ethik nicht nur lehren, wie wir uns anderen Menschen gegenüber, sondern auch, wie wir uns Tieren gegenüber verhalten sollen (Quelle: Im Lichte der Evolution, G. Vollmer, 2017, vgl. S. 386 f.).

                                      Ihr Zitat: „Natürlich ist es auch denkbar, dass mein Geist, mein Ich, mein Über-Ich und mein Gewissen nur hartnäckige Illusionen sind. Aber warum sollte ich annehmen, dass meine eigene Natur mich derart täuscht?“
                                      Wozu könnte das Ich-Gefühl gut sein? Es dient der Selbstorientierung. Ich finde mich in meiner Umwelt besser zurecht, wenn ich weiß, was ich tue, wenn ich zwischen mir und dem Rest der Welt unterscheide und mich in dieser Welt, auch in meiner sozialen Welt verorten kann, wenn ich mir vorstellen kann, was geschieht, wenn ich etwas bestimmtes tue, sodass ich es bei unerwünschten (vorgestellten!) Konsequenzen auch unterlassen kann. Dass mein Ich-Gefühl eine Leistung meines Gehirns ist, unterliegt laut der Hirnforschung kaum einem Zweifel (Quelle: Im Lichte der Evolution, G. Vollmer, 2017, vgl. S. 396).
                                      Im Alltag benutzen wir „Ich“ als Personalpronomen, das an die Stelle des Namens tritt und, wie dieser, die physich-psychische Person bezeichnet. Üblicherweise gehen wir davon aus, dass eine solche Person bestimmte Fähigkeiten besitzt, insbesondere ein Bewusstsein ihrer selbst. Ein solches Verständnis zeigt noch einmal, warum Zweifel an der Existenz „meines Ich“ abwegig sind, schließlich beweise ich durch den Zweifel nicht nur meine Existenz, sondern auch ein Bewusstsein meiner selbst, also mein Selbstbewusstsein (Quelle: Hirnforschung für Neurogierige, Manfred Spitzer, Wulf Bertram, 1. Auflage 2010, S. 284).
                                      Bekanntlich beschreibt Freud (1923) den erfolgreichen Aufbau des Über-Ich als Identifikation mit dem idealisierten Modell von den Eltern. Zwar können später auch andere idealisierte Personen, etwa Lehrer oder Idole, das Über-Ich beeinflussen, aber am Anfang dieses Prozesses steht die dominierende elterliche Instanz, insbesondere die des Vaters (Quelle 1: Evolution des Gewissens, E. Voland, 2014, vgl. S. 89).
                                      Das Gewissen bleibt der verlängerte Arm der Eltern, es ist ein Satellit elterlicher gen-egoistischer Interessen (Quelle 1, vgl. S. 158).
                                      Von Illusionen kann also - bis auf die von Ihnen nicht erwähnte Willensfreiheit - nicht die Rede sein.

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                                        Norbert Schönecker

                                        S.g. Herr Steiner!

                                        "Stark" und "schwach" waren tatsächlich schlecht gewählte Worte von mir. Natürlich kann sich auch der Listigere, Anspruchslosere, Zähere oder der mit den besseren Partnern durchsetzen.
                                        Genau müsste es also heißen: Der Besser angepasste hat das Recht, den weniger gut angepassten zu verdrängen. Das entspricht der Natur, und laut Satanismus folglich auch der natürlichen Ethik.

                                        "Welche Ethik hat einen natürlichen Überlebens-„kampf“ als Grundlage?"
                                        Die satanistische Ethik.

                                        "Würde sich der Mensch als „höheres Tier“ betrachten, müsste das zu mehr Mitgefühl seinen Artgenossen gegenüber führen."
                                        Sicher nicht. Seit wann haben Menschen oder irgendwelche Tierarten grundsätzlich Mitgefühl mit ihren Artgenossen? Artgenossen sind, sofern sie nicht sehr eng verwandt sind, von Natur aus v.a. Konkurrenten.
                                        Das Great Ape Project gefällt mir sehr gut.

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                                          Hard Frost

                                          Daß die Natur irgendwie "grausam" erscheint, ist ja nichts Neues.
                                          Aber jetzt wollen Sie die Lebensbedingungen auf diesem Planeten irgendwie mit "Satanismus" in Verbindung bringen? Vermutlich nur, um "naturalistische Ansichten" in Misskredit zu bringen. Was für ein armseliges Manöver...

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                                            Norbert Schönecker

                                            @ Hard Frost:
                                            Ich habe ausdrücklich geschrieben, dass ich weiß, dass es viel weniger Satanisten gibt als Humanisten (die großteils auch Naturalisten sind). Und dass ich gerne wüsste, mit welchen Argumenten die Humanisten den Satanisten ihren Standpunkt begründen würden, dass menschliche Ethik keine sozialdarwinistische sein muss. Prof. Lehnert hat das offensichtlich richtig als ganz ehrliche Frage verstanden und darauf geantwortet. Seine Antwort hat mich auch teilweise zufriedengestellt (nämlich der Teil mit dem sozialen Frieden). Sie aber, Hard Frost, sehen meine Frage als armseliges Manöver. Und bleiben eine Antwort schuldig.
                                            Einfach nur schade.

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                                              Hard Frost

                                              @Norbert Schönecker:

                                              Ja, weil ich das Gefühl bei Ihnen habe, Sie jede Woche sozusagen "neu anlernen" zu müssen. Immer wieder kommen Sie mit komischen Pauschalisierungen um die Ecke. Hier zB : Ganz einfache Assoziationskette: Humanisten sind auch Naturalisten, diese Satanisten haben aber auch naturalistische Ansichten, aber wahrscheinlich noch ganz andere, und alles andere als liebenswürdige, dann muß sich der selbsternannte Humanist natürlich dem Satanisten erklären und sich von ihm abgrenzen. Wieso, wozu? Was hat das Ganze mit Sozialdarwinismus zu tun? Dann sind schlagartig die Nazis nicht weit, etc pp.
                                              Die wichtigste Frage aber ist: Warum sollte ich Ihnen in diese Konstruktionen folgen wollen, und dann Schritt für Schritt auseinandernehmen? Nur damit Sie sich wieder was Neues ausdenken können, warum es mit der humanistischen Ansicht nicht weit her ist? Ihr Ziel ist es doch einzig und allein, am Ende mit dem christlichen Glauben über atheistische Ansichten triumphieren zu können, oder nicht?
                                              Wenn Sie sich wirklich und allen Ernstes für diese Ansichten interessieren, so müßten Sie nach gefühlt jahrelanger Anwesenheit in diesem Forum doch mal zu eigenen Ergebnissen gekommen sein, die nicht auf Hirnlego basieren. Aber wie gesagt: An jedem Montag scheint Ihr Geist einer zu sein, der am Wochenende vom christlichen Glauben überschrieben wurde.

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                                                Norbert Schönecker

                                                @ Hard Frost

                                                Sowohl der Humanismus als auch der Satanismus haben den Naturalismus und eine strenge Diesseitigkeit als Grundlage. Da ist es für einen Außenstehenden doch verwunderlich, dass beide zu sehr entgegengesetzten ethischen Ergebnissen kommen. Und dann frage ich halt einfach jemanden, der es wissen muss, wie das geschieht. Dieser jemand ist der Autor des obigen Artikels, und, siehe da: Er antwortet verständlich und anscheinend, ohne sich angegriffen zu fühlen (so scheint es mir und so hoffe ich).
                                                Das ist ein ganz normaler Dialog, der dazu beiträgt, dass Menschen unterschiedlicher Weltanschauung einander verstehen.
                                                Umgekehrt wäre ich auch nicht beleidigt, wenn ich gefragt werde, wieso Christen unterschiedlicher Couleur, die sich alle auf die Bibel berufen, sehr unterschiedliche Lebensweisen propagieren, von Mission mit Feuer und Schwert bis hin zu Pazifismus. Es ist ja auch tatsächlich eine sehr berechtigte Frage, warum ich manche Gebote nicht wörtlich nehme und andere schon. Ich muss mir die Frage gefallen lassen, wenn sie ohne Häme gestellt wird.

                                                Mit Sozialdarwinismus hat es deshalb zu tun, weil die Church of Satan eine sozialdarwinistische Ethik vertritt, die sie aus der Natur herauslesen zu können glaubt. Siehe wikipedia-Eintrag "Church of Satan", Abschnitt Ethik.

                                                Dass ich Prof. Lehnerts Antwort bis zu einem gewissen Grad befriedigend finde, habe ich jetzt schon geschrieben. Ich "triumphiere" also nicht, sondern bekenne, dass ich von Herrn Lehnert etwas über seine humanistische Sichtweise gelernt habe. Das könnte daran liegen, dass er sich darauf beschränkt, Fragen zu beantworten und auf persönliche Angriffe verzichtet.

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                                                  Hard Frost

                                                  @Norbert Schönecker:

                                                  Also hier mal der Link: https://de.wikipedia.org/wiki/ChurchofSatan

                                                  Wenn Sie den Eintrag und auch mal die archivierten Diskussionen dazu gelesen hätten, hätten Sie gemerkt, daß diese "Church Of Satan" dem christlichen Glauben näher steht als dem Atheismus. Sicher, es gibt dort keine "echte" Gottheit, aber die 11 Regeln zB finden sich teilweise auch in den christlichen Lehren wieder.
                                                  Und dann hätte Ihnen auch auffallen müssen, daß die CoS ihren Hauptsatz in NY, haha, Hell's Kitchen hat. Das riecht doch nach Religionsparodie, zumindest am Rande davon. Ich persönlich finde ja den Diskordianismus besser: https://de.wikipedia.org/wiki/Diskordianismus
                                                  Besonders das 5. Gebot "Einem Diskordier ist es verboten, zu glauben, was er liest."
                                                  Aber egal. Im übrigen fühle ich mich nicht angegriffen, ich greife Ihre seltsamen Konstruktionen an, und wenn Ihre Konstruktionen im Grunde nur eine mehr oder weniger logische Folge Ihres "psychischen, christlich gefärbten Mindsets" (sozusagen als Objekt der Forschung) sind, dann greife ich auch das an. Das ist dann kein "persönlicher Angriff". Im Gegenzug könnten Sie ja jede andere Meinung als "persönlichen Angriff" deklarieren und somit als unfaires rhetorisches Mittel. Und das wird ja auch so gehandhabt, zB Muslims reagieren gerne so.
                                                  Sie sind doch nicht erst seit heute auf der Welt. Sie haben doch Theologie studiert, oder? Was müssen Sie dann noch lernen, was Sie nicht eh schon wissen? Sie wissen doch ganz genau, wie Sie Ihren Glauben auf die eine oder andere Weise irgendwo in die Diskussion reinschmuggeln können, oder nicht? Und wenn Sie hier jetzt mit "Satanismus" als geistiger Verwandter des Humanismus ankommen - ganz unabhängig davon, wie die Diskussion dazu verläuft- , dann wird das den oberflächlichen, naiven Leser möglicherweise beeindrucken können. Davon gibt es schließlich mehr als genug. Kurz: Diese Diskussion ist mehr eine Art Falle - ob sie irgendwann zuschnappen wird, oder es gar eine größere Falle drumherum aufgebaut wird und diese dann zuschnappen wird, also da bin ich mal gespannt.

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                                                Klaus Steiner

                                                Hallo Herr Schönecker,

                                                da ist mir ein Fehler unterlaufen. Ich meinte nicht "Artgenossen", sondern Menschenaffen.

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                                                  Norbert Schönecker

                                                  S.g. Herr Steiner!

                                                  Mitgefühl, sei es mit Menschen, Menschenaffen oder sonstigen Tieren, scheint mir eine mühsame kulturelle Errungenschaft zu sein, die sorgfältig gepflegt werden muss, weil sie schnell wieder verschwinden kann. Das lehrt die Geschichte. Die natürliche Reaktion auf fremde Menschen (und auch auf Menschenaffen) war nur selten Mitgefühl, viel häufiger Angst und Aggression.

                                                  Interessanterweise werden Tiere laut wikipedia bei der Church of Satan hoch geachtet. Jaja, nicht alles ist schlecht. Allerdings gefällt mir der angegebene Grund für diese Hochachtung nicht: Tiere seien die "wahren Satanisten, da sie rein nach ihren Trieben leben". Also nix Mitgefühl, nur Bewerbung der eigenen Weltsicht.

                                                  Für seinen Einsatz für die Menschenaffen kann ich übrigens auch Herrn Peter Singer loben, auch wenn er mir, wie Sie vielleicht ahnen, aus anderen Gründen gar nicht zu Gesicht steht.

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                                                  Klaus Steiner

                                                  Hallo Herr Lehnert,

                                                  Ihr Zitat: „So mancher radikale Muslim, der andere Menschen in die Luft sprengt, tut das, weil Mohammed bzw. Allah die Ungläubigen hasst. Dahinter steht immer der Gedanke, was Gott verlangt, ist per definitionem gut.“
                                                  Das möchte ich etwas differenzierter betrachten:
                                                  Selbstmordattentate werden von der militärisch schwächeren Seite in nationalen Verteidigungs- oder Befreiungskriegen eingesetzt, in denen es große kulturelle und religiöse Unterschiede zu den Angreifern bzw. Besatzern gibt (Quelle: Die Fruchtbarkeit der Evolution, Helmut Fink, 2013,S. 188).
                                                  Richard Dawkins schreibt: Al-Ghurabaa, eine der radikalsten islamischen Gruppen Großbritanniens, verkündete nach den Bombenanschlägen von London: „Jeder Muslim, der leugnet, dass Terror zum Islam gehört, ist ein Kafir“. Ein Kafir ist ein Ungläubiger (d. h. ein Nichtmuslim), und der Begriff stellt eine schwere Beleidigung dar (Quelle: Der Gotteswahn, R. Dawkins, 2016, S. 429).

                                                  Religion ist laut dem Religionswissenschaftler M. Juergensmeyer nicht das Problem, kann aber problematisch sein („ Brandbeschleunigers“). Kriege werden in der Regel aus ökonomischen und politischen Gründen (Macht, Einfluss, Reichtum, Bodenschätze oder territoriale Kämpfe) geführt, Religion dient meist als Mobilisierungs- und Legitimationsressource. Das Religiöse drängt sich meist in Zeiten elementarer Existenzieller Verunsicherung (z. B. durch fehlende Umverteilung, Armut, Ungleichheit, Unfreiheit, fehlende berufliche Perspektiven) auf. Terroristen setzen darauf, die Spirale der Vergeltung in Gang zu setzen.

                                                  Dafür lassen sich in der Religion folgende Legitimationen finden: Sie unterscheidet zwischen Freund und Feind, Gut und Böse. Die Idee, man befolge den Wille Gottes, stellt einen problematische Wahrheitsanspruch dar (siehe Euthyphron-Dilemma). Im Zentrum des christlichen Glaubens steht die Selbstaufopferung des Individuums - diese wird versinnbildlicht durch den selbst gewählten Tod des christlichen Messias (Quelle: Die Fruchtbarkeit der Evolution, Helmut Fink, 2013, vgl. S. 188).
                                                  Hier habe ich so meine Zweifel. Den ersten Christen zufolge gäbe es ohne die Auferstehung keine christliche Botschaft. Paulus schreibt: „Wenn aber Christus nicht auferweckt ist, so ist also auch unsere Predigt inhaltslos, inhaltslos aber auch euer Glaube“. Was steht nun im Zentrum des christlichen Glaubens, der Tod oder die Auferstehung Jesu?

                                                  Die meisten Terroristen glauben nicht, sie hätten Lust am Töten anderer. Sie glauben, die anderen hätten bereits angegriffen und nun müssten sie sich verteidigen (Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=fy2mbx8df_U).

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