Gedankenverbrechen und Bestrafung

Ein Jahr der Ausgrenzung und Rechtsstreite an einer kanadischen Universität

Gedankenverbrechen und Bestrafung

By LeonV - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=34934403

Ende 2017 befand ich mich im Zentrum einer Kontroverse an der Wilfrid Laurier University (Waterloo, Kanada), wo ich als M.A. Student (Master of Arts) und Lehrassistent (TA) im Fachbereich Kommunikationswissenschaften tätig war. In dem Kurs, für den ich als TA arbeitete, spielte ich einen Teil einer Podiumsdiskussion, die im öffentlichen Fernsehen von Ontario ausgestrahlt wurde, vor. Wie viele Leser wissen, beinhaltete dieses Material Jordan Peterson, Professor an der University of Toronto, der gegen die Verwendung alternativer Geschlechterpronomen argumentierte, sowie die Argumente des Sexualdiversitätspädagogen Nicholas Matte, der zu dessen Gebrauch ermutigte.

Weil ich entschied, mich nicht von Petersons Ansichten zu distanzieren, bevor ich das Video zeigte, wurde ich in daraufhin vor einen Disziplinarausschuss zitiert. Der Betreuer des betreffenden Kurses, Nathan Rambukkana, sowie der Koordinator meines M.A.-Programms, Herbert Pimlott (manchmal auch bekannt als „Hillary X Plimsoll“), und die Managerin für geschlechtsspezifische Gewalt und Prävention von sexuellen Übergriffen, Adria Joel, beschuldigten mich, gegen das Gesetz zu verstoßen, indem ich ein Video mit Peterson im Klassenzimmer gezeigt, sowie Trans-Personen bedroht und angriffen habe, wodurch eine toxische Umgebung geschaffen wurde. All das ist bekannt, weil ich das ganze Treffen aufgezeichnet habe.

Anscheinend hatten sich „ein oder mehrere“ Studenten über den fraglichen Kurs beschwert - obwohl sich diese Behauptung später als falsch herausstellte. Sowohl Rambukkana als auch die Wilfrid Laurier Universitätspräsidentin Deborah MacLatchy entschuldigten sich bei mir, und ich wurde von jeglichem Fehlverhalten freigesprochen, nachdem eine neutrale Untersuchung durch Dritte ergab, dass ich nichts Falsches getan hatte. Der Prüfer stellte auch fest, dass „grundlegende Richtlinien und bewährte Vorgehensweisen, um die Rollen und Verantwortlichkeiten von Mitarbeitern und Fakultäten angemessen umzusetzen, ignoriert oder nicht verstanden wurden.“

Die Professoren Rambukkana und Pimlott verschwanden nach dem Semesterende im Dezember 2017 aus der Öffentlichkeit. Rambukkana löschte seine persönlichen Konten in den sozialen Medien und Pimlott sperrte seinen Twitter Account. Die Poster und Dekorationen, die sie an ihren Bürotüren hatten, wurden entfernt und die Türen für das gesamte Jahr 2018 verschlossen. Pimlott war der Dozent für meinen Graduierten-Kolloquiumskurs, aber alle unsere Kolloquiumstreffen wurden für den Rest dieses Semesters abgesagt. Für Januar bis April des Semesters 2018 wurde er durch einen anderen Professor ersetzt, ohne dass den Studenten dafür eine Erklärung gegeben wurde. Ich bemerkte auch, dass Pimlotts Name von der Website entfernt wurde, die unseren M.A.-Programmkoordinator aufführt. Ich schickte eine E-Mail an eine Verwaltungsassistentin, um zu fragen, warum Pimlott nicht mehr der Programmkoordinator war, und sie sagte mir, dass es „Änderungen im Department“ gegeben habe. Unser Absolventenjahrgangstreffen wurde abgesagt.

Dies war von da an ein häufiges Schema: Niemand an der Wilfrid Laurier University würde mir eine direkte Antwort auf irgendetwas geben. Es war ein Klima der Ausflüchte und Geheimhaltung.

In meinen Kursen war es nicht anders. Ende 2017, genau zu der Zeit, als ich zum ersten Mal in den Nachrichten war, begann eine Professorin den Tag mit der Erkenntnis, dass es eine „schwierige Zeit“ auf dem Campus war, aber dass sie „einen Job zu erledigen hatte“ und mit dem Unterricht fortfahren würde. Niemals wurde mein Name oder einer der anderen beteiligten Professoren erwähnt, noch gab es eine Diskussion über die betreffenden Themen. Meine Kommilitonen vermieden den Blickkontakt mit mir. Als die besagte Professorin und ich später in der Woche auf einem Flur aufeinandertrafen, fragte ich (auf herzliche Weise), warum sie ihren Unterricht mit einer vagen Aussage begonnen hatte, durch die im Klassenzimmer eine frostige Atmosphäre erzeugt wurde. Sie antwortete, dass einige Leute in meiner Abschlussklasse sehr verärgert über die Nachrichten waren, die ich ausgelöst hatte, und sie fragte, wie ich mich fühlen würde, wenn ich einer von ihnen wäre.

In einem anderen Kurs wurde den Studenten gesagt, dass wir mit sofortiger Wirkung unsere wöchentlichen Textbearbeitungsaufgaben nicht mehr aufschreiben müssten. Alle unsere vergangenen Beiträge auf der Kurswebsite wurden gelöscht, vermutlich weil die Beiträge von dem Kurs geteilt wurden, und ein oder mehrere Kommilitonen waren besorgt, dass ich ihre wöchentlichen Antworten an einen Reporter schicken könnte. Eine Kommilitonin schickte mir eine E-Mail und bat mich, nicht in den Medien über sie zu sprechen. (Ich hatte es nicht getan und wusste nicht, warum sie dachte, dass sie interessant genug ist, erwähnt zu werden.)

Im folgenden Semester, in einem meiner anderen Kurse, wurden unsere letzten drei Klassen (die aus Präsentationen von Doktoranden bestehen sollten) nominal „abgesagt“. Tatsächlich gingen sie hinter verschlossenen Türen weiter: Der Professor änderte die Programmstruktur, so dass die Studenten einladen konnten, wen auch immer sie an ihren eigenen Klassenpräsentationen teilnehmen lassen wollten - was praktisch bedeutete, dass jeder andere Student des Kurses an allen anderen Präsentationen teilnahm, wobei ich von allen ausgeschlossen wurde. Auf diese Weise konnten sie mich meiden, mich aussondern, so dass ich die Gelegenheit verpasste, von den Präsentationen meiner Kommilitonen zu lernen und sie zu diskutieren.

Warum sollte irgendein anderer Student das tun, was ich getan habe

Nach meinem Abschluss im Oktober 2018 war ich gespannt, ob die Professoren Rambukkana und Pimlott wieder in Laurier unterrichten würden, nachdem ich gegangen war. Ich habe das Studienangebot der Kommunikationswissenschaften für das Semester Januar bis April 2019 überprüft. Diese Kurslisten zeigen in der Regel die Tage und Zeiten jedes Kurses sowie den Namen des Professors oder Dozenten an. Fast alle Kurse der Kommunikationswissenschaften hatten einen Dozenten aufgelistet. Aber seltsamerweise hatte ein Seminar für das vierte Studienjahr mit dem Titel „Robotic Intimacies“ nur eine „TBA“ (wird angekündigt) an der Stelle des Namens, an welcher der Professor aufgeführt wird.

Ich wusste, dass dies ein Kurs ist, den Rambukkana in der Vergangenheit unterrichtet hatte. Und ich habe dann den Robotic Intimacies Kursblog gefunden, den er für das Wintersemester 2019 eingerichtet hatte. Unmittelbar nachdem ich über diese neue Entwicklung auf meiner Twitter-Seite berichtet hatte, wurde der Robotic Intimacies Kursblog geschlossen und gelöscht. Auch Rambukkanas eigene Website hatte einen neuen Beitrag: Er redigierte ein neues Buch über die Schnittstellen zwischen Robotik und sozialer Gerechtigkeit und bat um Auszüge von Artikeln.

Es war 2018 nicht ganz klar, ob Rambukkana (ein nicht fest angestellter Professor) zu seiner Professur zurückkehren würde. Aber jetzt sah es so aus, als wäre er zurück und bereit, seine Karriere voranzutreiben. Tatsächlich ist der Kurs Robotic Intimacies derzeit voll ausgelastet, mit 20 von 20 Plätzen belegt und hat sogar eine Warteliste. (Was Pimlott betrifft, so hat er eine Anstellung, also war ich mir ziemlich sicher, dass er nach der, wie lang auch immer, bezahlten oder unbezahlten Pause, die beiden gewährt wurde, zurückkommen würde.)

Nach meinem Abschluss an der Laurier bedauerte ich, dass es nach meiner Abreise niemanden in der Schule geben würde, der die neuen Entwicklungen im Auge behält. Wenn Universitäten Professoren wie Nathan Rambukkana und Herbert Pimlott und Bürokraten der Geschlechterdiversität wie Adria Joel verteidigen wollen, dann brauchen wir Leute im System, die bereit sind, der Öffentlichkeit zu sagen, was in unseren Klassenzimmern vor sich geht.

Andererseits, warum sollte irgendein anderer Student das tun, was ich getan habe, jetzt, wo die Auswirkungen bekannt sind? Sie würden ihre Abschlüsse, ihre Beschäftigungsaussichten und ihre Aussicht auf ein Graduiertenstudium riskieren. Sie könnten ohne akademische Arbeitszeugnisse dastehen, was ihre Möglichkeiten, im Ausland zu studieren oder ein Stipendium zu erhalten, untergraben würde. Wenn ihr Fall so viel Aufmerksamkeit erfährt wie meiner, werden sie als opportunistische Aufmerksamkeitssucher und rechtsextreme Provokateure bezeichnet.

Und dann ist da noch der rechtliche Aspekt: Es wurde unlängst bekannt gegeben, dass Rambukkana und Pimlott eine Klage auf Ansprüche Dritter gegen mich einreichen, als Teil des Prozesses, der begann, als Peterson Rambukkana, Pimlott, Joel und die Universität wegen Diffamierung verklagt hat. (Ich habe auch meine eigene Klage gegen dieselben Parteien eingereicht.) Wie viele Studenten haben Zugang zu einer effektiven Rechtsvertretung?

Gad Saad von der Concordia University in Montreal, ein im Libanon geborener Verfechter der Meinungsfreiheit und offenen Debatte, weist sein Publikum stets darauf hin, dass es nie untätig bleiben, sondern sich engagieren und die Freiheiten verteidigen soll, die wir in der westlichen Welt lange Zeit als selbstverständlich angesehen haben. Er beklagt, dass unsere Schulen voller ängstlicher Seelen sind, die ihren persönlichen Überzeugungen aus Angst vor beruflichen Konsequenzen keine Stimme geben werden, selbst wenn im Nahen Osten, aus dem er stammt, Aktivisten Tod oder Folter riskieren. „Akademiker müssen Krieger sein und sich für die Meinungsfreiheit einsetzen“, sagt er. „Das Streben nach Wahrheit ist wichtiger als Karrierestreben.“

Ich bin immer dankbar, wenn mir Schüler private Nachrichten schicken, in denen sie darlegen, wie das Klima an ihren eigenen Schulen sie ideologisch unterdrückt, und um Rat fragen. Trotz allem, was ich erlebt habe, ist meine Botschaft stets gleich: An seinen persönlichen Überzeugungen festzuhalten, wird immer lohnender sein, als sich selbst zu zensieren, um eine bessere Note oder einen besseren Job zu bekommen.

Übersetzung: Jörg Elbe

Dieser Artikel ist ursprünglich zuerst auf Quillette erschienen.

(Bild: Quillette)

Lindsay Shepherd ist eine Befürworterin offener Debatten und Kolumnistin bei The Post Millennial (@TPostMillennial).

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