An die drei Gesellschaften für Ökologie/Evolution, die behauptet haben, dass das biologische Geschlecht ein Spektrum sei.
Wie ich am 13. Februar schrieb (siehe auch Richard Dawkins: Ein soziales Konstrukt oder wissenschaftliche Realität?), haben drei wichtige Gesellschaften, die Evolutionsbiologie, Ökologie und Systematik vertreten, eine grob irreführende Erklärung, die an die Regierung gerichtet ist, veröffentlicht. (Sie ist auf den 5. Februar datiert, aber ich glaube nicht, dass sie schon abgeschickt wurde):
Wie ich vor kurzem berichtet habe, haben die Präsidenten dreier Gesellschaften für Organismenbiologie, der Society for the Study of Evolution (SSE), der American Society of Naturalists (ASN) und der Society of Systematic Biologists (SSB), eine Erklärung an Präsident Trump und alle Mitglieder des Kongresses geschickt. (Die Erklärung ist hier archiviert.) In der Erklärung wird implizit behauptet, dass die 3500 Mitglieder der Gesellschaften ihre Meinung teilen, und es wird erklärt, dass es einen wissenschaftlichen Konsens über die Definition von Geschlecht gibt, und dass der Konsens darin besteht, dass Geschlecht nicht binär ist, sondern eine nicht spezifizierte, aber multivariate Kombination verschiedener Merkmale, eine Definition, die Geschlecht zu einem Kontinuum oder Spektrum macht - und zwar bei allen Arten! Die Fettdrucke unten sind von Jerry:
Der wissenschaftliche Konsens definiert das Geschlecht beim Menschen als ein biologisches Konstrukt, das auf einer Kombination aus Chromosomen, Hormonhaushalt und der daraus resultierenden Ausprägung von Keimdrüsen, äußeren Genitalien und sekundären Geschlechtsmerkmalen beruht. Bei all diesen biologischen Merkmalen, die das Geschlecht ausmachen, gibt es Unterschiede. Dementsprechend ist das Geschlecht (und die geschlechtliche Ausprägung) kein binäres Merkmal. Während einige Aspekte des Geschlechts bimodal sind, ist die Variation entlang des Kontinuums von männlich zu weiblich beim Menschen in Hunderten von wissenschaftlichen Artikeln gut dokumentiert. Solche Unterschiede werden sowohl auf genetischer als auch auf individueller Ebene beobachtet (einschließlich Hormonspiegel, sekundäre Geschlechtsmerkmale und Genitalmorphologie). Abgesehen von der unrichtigen Behauptung, dass die Wissenschaft eine einfache binäre Definition des Geschlechts unterstützt, zeigt die persönliche Erfahrung der Menschen deutlich, dass die genetische Zusammensetzung bei der Empfängnis nicht die Identität einer Person definiert. Vielmehr ergeben sich Geschlecht und Gender aus dem Zusammenspiel von Genetik und Umwelt. Diese Vielfalt ist ein Markenzeichen der biologischen Arten, einschließlich des Menschen.
Und während ich dies heute schreibe, bin ich immer noch verblüfft, wie die verschiedenen Merkmale kombiniert werden sollen, um das Geschlecht zu bestimmen. Ich würde die drei Gesellschaften auch gerne fragen, wie viele menschliche Geschlechter es genau gibt. Wie ich bereits gesagt habe, ist es mir peinlich, mit der SSE in Verbindung gebracht worden zu sein, da sie nun die Wissenschaft ablehnt, um sich der „progressiven“ Ideologie anzubiedern. Es ist in Ordnung, wenn Gesellschaften, wie in diesem Fall, auf Situationen reagieren, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, aber es ist nicht in Ordnung, wenn sie gefälschte wissenschaftliche Erkenntnisse verbreiten, um eine politische Position zu untermauern.
Unser ursprüngliches Schreiben hatte 23 Unterzeichner, von denen die meisten in dieser zweiten und endgültigen Fassung des Schreibens enthalten sind. Auf den ersten Brief haben wir nie eine Antwort erhalten (ich finde das ziemlich unhöflich), aber wir hoffen auf eine Antwort auf diesen Brief.
Die Liste der Unterzeichner ist inzwischen auf 125 Personen angewachsen, deren Namen wir aus Gründen der Übersichtlichkeit unterhalb des Textes platziert haben. Wenn wir richtig gezählt haben, kommen die Unterzeichner aus neunzehn Ländern. (Wir haben die Namen von fünf Ärzten und einer Krankenschwester, die ebenfalls unterschrieben haben, weggelassen). Alle Unterzeichner waren bereit, ihre Namen öffentlich zu machen - eine Bedingung für die Unterzeichnung des Gruppenbriefs. Andere, von denen ich weiß, haben sich privat an die Präsidenten der Gesellschaften gewandt - und eine Antwort erhalten, so dass die Gesellschaften offensichtlich nicht der Meinung waren, sie müssten auf unseren ersten Brief antworten.
Es geht in diesem Brief nicht darum, zu zeigen, dass unsere Ansicht ein „Konsens“ ist (die Gesellschaften haben ihre Mitglieder auch nicht befragt), sondern einfach zu bekräftigen, dass eine Vielzahl von Menschen in der Biologie oder in angrenzenden Bereichen die von den Gesellschaften vertretene Auffassung von Geschlecht als „Konstrukt“ und „Spektrum“ ablehnen. Der untenstehende Brief spricht für sich selbst.
Die treibende Kraft beim Verfassen des Briefes und beim Sammeln der Unterschriften war übrigens Luana Maroja, Professorin für Biologie am Williams College, daher ein großes Lob an sie. Unterhalb dieser Zeile finden Sie unser Schreiben, das vier Minuten vor diesem Posting an die Gesellschaften geschickt wurde.
Sehr geehrte Präsidenten der Tri-Societies: ASN, SSB und SSE,
wir, die Mitglieder der Tri-Societies und/oder Biologen, sind zutiefst enttäuscht über Ihren jüngsten Brief „Letter to the US President and Congress on the Scientific Understanding of Sex and Gender“, der letzten Mittwoch, den 5. Februar 2025, als Reaktion auf Trumps Durchführungsverordnung „Defending Women From Gender Ideology Extremism And Restoring Biological Truth To The Federal Government“ veröffentlicht wurde.
Während wir zustimmen, dass Trumps Durchführungsverordnung irreführend ist, sind wir mit Ihren Aussagen über das binäre Geschlecht und dessen Definition nicht einverstanden. Bei Tieren und Pflanzen wird das binäre Geschlecht allgemein durch den Gametentyp definiert, auch wenn die Geschlechter in den verschiedenen Taxa in Bezug auf ihre Entwicklungsbestimmung und phänotypische Identifizierung unterschiedlich sind. Ihr Brief gibt daher das wissenschaftliche Verständnis vieler Mitglieder der Tri- Societies falsch wieder.
Sie stellen fest, dass: „Der wissenschaftliche Konsens definiert das Geschlecht beim Menschen als ein biologisches Konstrukt, das auf einer Kombination aus Chromosomen, Hormonhaushalt und der daraus resultierenden Ausprägung von Keimdrüsen, äußeren Genitalien und sekundären Geschlechtsmerkmalen beruht.“
Wir sehen das Geschlecht jedoch nicht als „Konstrukt“ an, und wir sind der Meinung, dass andere erwähnte humanspezifische Merkmale wie „persönliche Erfahrungen“ oder „die [phänotypische] Variation entlang des Kontinuums von männlich zu weiblich“ nichts mit der biologischen Definition von Geschlecht zu tun haben. Wir Menschen mögen zwar einzigartig sein, was Geschlechtsidentitäten und bestimmte Arten von Sexualdimorphismus angeht, aber Geschlecht gilt für uns genauso wie für Libellen, Schmetterlinge oder Fische - es gibt keine menschliche Besonderheit. Ja, es gibt Entwicklungskrankheiten, die zu Sterilität führen, und es gibt Variationen in den phänotypischen Merkmalen, die mit dem Sexualdimorphismus zusammenhängen. Die Existenz dieser Variationen macht das Geschlecht jedoch nicht weniger binär oder komplexer, denn das Geschlecht wird nicht durch eine Kombination von Chromosomen oder Hormonhaushalten oder äußeren Genitalien und sekundären Geschlechtsmerkmalen definiert. Die universelle biologische Definition von Geschlecht ist die Größe der Gameten.
Wenn Sie und die Unterzeichner dieses Schreibens in diesen Punkten nicht übereinstimmen, dann war es falsch von den Tri- Societies, in unserem Namen zu sprechen und zu behaupten, dass es einen wissenschaftlichen Konsens gibt, ohne überhaupt eine Umfrage unter den Mitgliedern der Gesellschaft durchzuführen, um festzustellen, ob ein solcher Konsens existiert. Die Realität zu verzerren, um einer Ideologie zu entsprechen, und die irreführende Behauptung eines Konsenses zu verwenden, um ihren Aussagen den Anschein wissenschaftlicher Autorität zu verleihen, schadet nicht nur, weil sie unsere Ansichten falsch darstellen, sondern schwächt auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wissenschaft, das in den letzten Jahren rapide gesunken ist. Aus diesem Grund sollten sich wissenschaftliche Gesellschaften so weit wie möglich aus der Politik heraushalten, es sei denn, es handelt sich um politische Fragen, die den Auftrag der Gesellschaft direkt betreffen.
Hochachtungsvoll,
Alle Namen der 125 Unterzeichner finden sich im Originalartikel. Es sind u. a.:
Jerry Coyne, emeritierter Professor, Ecology and Evolution, University of Chicago
Richard Dawkins, emeritierter Professor, University of Oxford
Axel Meyer, Lehrstuhl für Zoologie und Evolutionsbiologie, University of Konstanz
Steven Pinker, Johnstone Family Professor der Psychologie, Harvard University
Übersetzung: Jörg Elbe
Kommentare
Wir brauchen uns angesichts derart abstruser Aktionen wie des Briefes an Trump nicht wundern oder beklagen, dass "die Wissenschaftsfeindlichkeit in der Bevölkerung rapide zunimmt". Zum Glück halten kompetente Köpfe wie Dawkins, Pinker und Coyne ordentlich dagegen. Allerdings befürchte ich, dass der Schaden, den die woke Verachtung für Aufklärung und Wissenschaft angerichtet hat (und mit ihren sinnfreien Rückzugsgefechten gerade noch anrichtet) uns noch lange beschäftigen wird.
Aber das ist schon lange meine Überzeugung: Jede Generation muss sich die Früchte der Aufklärung und deren Werte neu bewusst machen, erkämpfen und verteidigen.
Antworten
Neuer Kommentar