Richard Dawkins erzählt in Vorträgen hin und wieder das Bonmot, sein Buch „Das egoistische Gen“ würde oft nur nach dem Titel und nicht nach der Fußnote, die das Buch selbst darstellt, gelesen werden. Heute wird der Evolutionsbiologe und Buchautor 75 Jahre alt.
Sein Herausgeber hatte ihm damals zum Titel „Das unsterbliche Gen“ geraten. Eine Wahl, die er rückblickend als vorteilhafter ansehen würde. Der erste Teil seiner Autobiographie, in welcher er in chronologischer Reihenfolge aus seinem Leben als Mensch und Wissenschaftler erzählt, endet mit eben diesem Buch, das seine weitere Zukunft so nachhaltig beeinflussen sollte. Im zweiten Teil gibt er eine Übersicht der verschiedenen Schaffensgebiete, die dem Erstlingswerk nachfolgten. Die nun erschienene deutsche Ausgabe vereint die im englischen Sprachraum separaten herausgebrachten Bände in einem Buch.
Der Autor nimmt uns dabei mit in seine Kindheit, die er in Afrika verbrachte, geboren in Nairobi als Kind begüterter Eltern in der britischen Kolonialverwaltung. In der Tat waren dies Zeiten, wie es sie heute nicht mehr gibt, mit einem Ideal des Bildungsbürgertums. Dem Abschied aus Afrika in jungen Jahren folgte das englische Internatsleben. Im anglikanischen Glauben aufgewachsen, kamen die ersten Zweifel über den einen Gott, die sich später durch das Kennenlernen der Evolutionstheorie von Charles Darwin zu einer Ablehnung entwickelte. Weiter können wir seiner Entwicklung in Oxford und den USA verfolgen, wo er eine Assistenzprofessur innehatte. 1973, in seiner Funktion als Dozent in Oxford, die er bis 1995 wahrnahm, begann er die Arbeit am „Egoistischen Gen“, um eine Forschungspause sinnvoll zu nutzen, die durch die Stromrationierungen während der Bergarbeiter Streiks bedingt war.
Resümierend vermag er nicht zu sagen, ob seine afrikanische Kindheit zu seinem Interesse für die Biologie geführt hat, eher der Einfluss der Eltern, die es verstanden, die „staunende Neugier“, so der deutsche Titel des ersten Teils (englisch: An Appetite for Wonder), im Kinde zu wecken.
Durch seine Arbeit ergaben sich immer wieder Dispute zu religiösen Schöpfungsmythen, welche zu weiteren Büchern über die Evolutionstheorie führte. In einem Vortrag sagte er 2002, wenn sich seine Bücher so gut verkaufen würden, wie die von Stephen Hawking, würde er eine Stiftung als Gegenpol zu fundamental religiösen Institutionen gründen. Ein paar Jahre später war es soweit. Der große Erfolg des „Gotteswahn“ ermöglichte 2006 die Gründung der Richard Dawkins Foundation (RDF).
Diese und zahlreiche andere Aktivitäten werden im zweiten Teil des Buches, „Eine Kerze im Dunkeln“ (Brief Candle in the Dark), in Form verschiedenen Kapitel dargestellt. Dawkins verzichtet hier auf eine stringent zeitliche Abfolge und ermöglicht es dadurch, sich in die Themen gemäß den eigenen Vorlieben zu vertiefen. Dazu passen denn auch die bisweilen abschweifenden Anekdoten, die er in einem lockeren Plauderton zum Besten gibt. Hier merkt man ihm seine Begeisterung an, interessante Menschen zu treffen. Nicht zuletzt Charles Simonyi, der 1995 das Geld für eine Professur für „Public Understanding of Science“ stiftete, die Dawkins bis 2008 ausfüllte.
Insgesamt schlägt er auch einen versöhnlichen Ton an. Es ist keine Abrechnung mit seinen Gegnern, sondern im Gegenteil eine Würdigung der kritischen Auseinandersetzung. Diese Streitkultur ist ihm ein wichtiges Anliegen. Im Januar 2016 wurde er aufgrund eines Tweets mit einem kontroversen Video von einer Konferenz ausgeladen. Er schrieb daraufhin „Wenn es in unser Gemeinschaft um eines geht, dann, dass eine vernünftige Diskussion der beste Weg ist, mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen.“ Eben solche Diskussionen anzustoßen ist der vornehmliche Hintergrund seiner Twitter Aktivitäten, wo ihm über 1,3 Millionen Menschen folgen. Dies entspricht seiner intellektuellen Redlichkeit und seinem Selbstverständnis, unter anderem auch darin, zuzugeben, wenn er zu einem Thema keine Antwort geben kann.
Dawkins wird häufig als der einflussreichste Naturwissenschaftler der Gegenwart bezeichnet. Tatsächlich hat er die Art und Weise, wie wir Naturwissenschaften wahrnehmen verändert. Durch den Erfolg seines ersten Buches hat er den Weg für viele andere Werke bereitet, die naturwissenschaftliche Themen so aufbereitet haben, dass es Fachleute und Laien gleichsam anspricht.
Neben diesem Einfluss im Großen gesellt sich die nicht weniger wichtige Inspiration im Kleinen. Durch seine Bücher, Fernsehsendungen, Vorträge und Diskussionen hat er das Leben vieler Menschen nachhaltig verändert. Stellvertretend sei hier Kacem El Ghazzali genannt, der sich durch die Lektüre von Dawkins´ Büchern von den religiösen Fesseln seiner Herkunft befreien konnte. Dieses Anliegen der Aufklärung, der Denkanstösse, der Förderung naturwissenschaftlichen Denkens und einer säkularen Weltanschauung verfolgt er weiterhin. Es scheint heute wichtiger denn je.
Seine Autobiographie ist für Leser interessant, die Dawkins schon kennen und nun eine Übersicht seines Lebens in dem ihm eigenen lockeren und doch sprachlich gewandten Schreibstil nachlesen können. Es seien aber auch gerne alle anderen eingeladen, in die Welt eines der bedeutendsten Naturwissenschaftlers und Buchautoren einzutauchen. Eine Welt, in der die Wissenschaft die Poesie der Wirklichkeit ist.
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