Geschlecht ist einfach nur binär
Vor langer Zeit hatten wir auf dem Hof meines Vaters eine besonders aufmüpfige, schelmische, ja aggressive Kuh namens Arusha. Als der Hirte eines Tages über ihr aufmüpfiges Verhalten nachdachte, bemerkte er: „Mir scheint, Arusha ist eher eine Kreuzung zwischen einem Stier und einer Kuh.“
Äh, ja!
Arusha kam mir kürzlich in den Sinn, als ich von Josh Glancy von der Sunday Times interviewt wurde. In dem Interview sollte es um mein neues Buch „Flights of Fancy„ gehen, in dem es darum geht, wie Vögel, Fledermäuse, Pterosaurier, Insekten und Menschen die Schwerkraft überwinden können. Aber zusätzlich, vielleicht von seinem Redakteur dazu gedrängt, die Art von Clickbait zu liefern, zu dem sich Vögel und Fledermäuse nicht aufschwingen können, erwähnte Glancy, dass ich von der American Humanist Association öffentlich verstoßen worden war. Nachdem ich 1996 zum Humanisten des Jahres ernannt worden war, wurde mir diese Ehre im Jahr 2021 rückwirkend aberkannt. Der Grund? Ein Tweet, der zu einer Diskussion über die Gepflogenheit des „Identifizierens als“ einlud.
„Im April sorgte Dawkins für Aufregung, als er sich fragte, warum es so viel schwieriger ist, sich über rassische Grenzen hinweg zu identifizieren als über sexuelle Grenzen. Er schrieb: ‘Im Jahr 2015 wurde Rachel Im Jahr 2015 wurde Rachel Dolezal, eine weiße Ortsverband-Vorsitzende der NAACP*, diffamiert, weil sie sich als Schwarze identifizierte. Einige Männer identifizieren sich selbst als Frauen, und einige Frauen identifizieren sich selbst als Männer. Sie werden diffamiert, wenn Sie verneinen, dass sie wortwörtlich das sind, als was sie sich identifizieren. Diskutiert. ‘“
(* National Association for the Advancement of Colored People) [1]
Meine lebenslange Tätigkeit als Tutor in Oxford hat mir die sokratische Angewohnheit eingeimpft, Fragen zur Diskussion zu stellen, oft Themen mit einem leicht paradoxen Beigeschmack, Rätsel, offensichtliche Widersprüche oder Ungereimtheiten, die scheinbar einer Klärung bedürfen. Ich habe diese Gewohnheit auf Twitter fortgesetzt und beende meine Tweets oft mit dem Wort „Diskutiert“. Dieser Tweet war eines dieser Beispiele. Hier sind zwei weitere typische Beispiele für das Aufwerfen einer Frage, um eine Diskussion anzuregen:
Ameisen kommunizieren durch langsam streuende Chemikalien (Pheromone). Wenn ihre Gehirne über Funkverbindungen verfügten, würde dann auf der Ebene der Kolonie ein „verteiltes Bewusstsein“ entstehen, während keine einzelne Ameise überhaupt ein Bewusstsein hätte? Diskutiert, vielleicht mit Bezug zum Internet.
13. November 2021
Eine Vermutung: „Es muss einen Moment in der Geschichte geben, in dem zwei Geschwister von derselben Mutter dazu bestimmt waren, einer der Vorfahren aller Menschen und der andere der Vorfahre aller Wombats zu werden.“
Ist diese Vermutung zwangsläufig wahr? Diskuiert.
14. November 2021
Die zweite Frage hat übrigens die interessante Eigenschaft, dass einige Leute denken, die Vermutung sei offensichtlich und trivialerweise wahr, andere, sie sei offensichtlich und trivialerweise falsch - binäre entgegengesetzte „trivialerweise offensichtliche“ Meinungen. Die Antwort (in Geschichten vom Ursprung des Lebens) lautet, dass die Vermutung zwar wahr, aber keineswegs offensichtlich ist.
Es liegt auf der Hand - und das weiß jeder Lehrer, der seinen Namen verdient -, dass die Aufforderung zur Diskussion einer Frage nicht dasselbe ist wie eine Stellungnahme zur Antwort. Dennoch forderte mich Glancy auf, Stellung zu beziehen: sozusagen in die Diskussion einzutreten, die ich mit meinem Rachel-Dolezal-Tweet angestoßen hatte. Und so sagte ich ihm Folgendes:
Rasse ist ein sehr breites Spektrum. Die meisten Afroamerikaner sind gemischtrassig, es gibt also wirklich ein Spektrum. Jemand, der weiß aussieht, kann sich sogar als schwarz bezeichnen, kann ein sehr geringes [afrikanisches Erbe] haben. Menschen, die einen Urgroßelternteil haben, der ein amerikanischer Ureinwohner ist, können sich als amerikanische Ureinwohner bezeichnen. Das Geschlecht hingegen ist einfach nur binär. Auf den ersten Blick scheint es also für jemanden einfacher zu sein, sich als eine beliebige Rasse zu identifizieren. Wenn man ein schwarzes und ein weißes Elternteil hat, könnte man meinen, man könne sich aussuchen, als was man sich identifizieren möchte.
Die Sunday Times fasste meine Worte in der Überschrift zusammen, die ich für diesen Artikel übernommen habe: Rasse ist ein Spektrum. Geschlecht ist einfach nur binär. Im Gegensatz zu meiner Wombat-Vermutung ist dieser Punkt wirklich ganz klar offensichtlich. Wenn sich ein Weibchen und ein Männchen paaren, ist jeder Nachkomme entweder weiblich oder männlich, äußerst selten ein Hermaphrodit oder ein Intersexueller irgendeiner Art. [2] Arusha war wirklich eine Kuh und kein halber Bulle. Aber ihre Zwischenfärbung ließ den Verdacht aufkommen, dass dieser „reinrassige Jersey“ in Wirklichkeit ein halber Ayrshire war - ein Fehler bei der künstlichen Besamung. Wenn sich zwei Menschen verschiedener Rassen paaren, sind ihre Nachkommen rassengemischt, was sich in vielerlei Hinsicht zeigt, auch in der Hautfarbe. Nach Generationen von Mischehen, die mit der Ausbeutung versklavter Frauen und Mädchen begannen, bilden die Afroamerikaner ein so breites Spektrum, dass einige Personen, die auf offiziellen Formularen das Kästchen „Rasse oder ethnische Zugehörigkeit“ ankreuzen müssen, sich berechtigterweise frei fühlen, sich als das zu identifizieren, was sie wollen.
Starker Einfluss auf den amerikanischen Diskurs
Die Herzogin von Sussex bezeichnet sich als „gemischtrassig“, wird aber in der Presse häufig als schwarz bezeichnet. Barack Obama sieht sich selbst als Schwarzer (und wird auch so bezeichnet), obwohl er mit einem weißen Elternteil genauso gut das Kästchen „weiß“ ankreuzen könnte. Die „Ein-Tropfen-Regel“, die einst in den Gesetzen einiger rassentrennenden US-Bundesstaaten verankert war, besagte, dass ein Tropfen afrikanisches „Blut“ ausreicht, um eine Person als schwarz zu bezeichnen - womit Schwarzsein das kulturelle Äquivalent einer genetischen Dominanz wurde. Dies hat nie umgekehrt funktioniert und übt immer noch einen starken Einfluss auf den amerikanischen Diskurs aus - obwohl die Bandbreite der „Afroamerikaner“ von Menschen mit rein afrikanischer Abstammung bis hin zu Menschen mit vielleicht einem afrikanischen Urgroßelternteil reicht. Wäre die Rasse kein Spektrum, hätten die Kritiker von Rachel Dolezal mit einem Blick erkennen müssen, dass sie nicht „wirklich“ schwarz ist. Gerade weil schwarze Amerikaner ein Spektrum sind, war es nicht offensichtlich. Mit vernachlässigbaren Ausnahmen kann man dagegen das Geschlecht einer Person auf einen Blick erkennen, vor allem wenn sie sich auszieht. Geschlecht ist einfach nur binär.
Wenn ich mich als Nilpferd identifizieren würde, würden Sie zu Recht sagen, dass ich mich lächerlich mache. Die Behauptung ist zu sehr von der Realität abgewichen. Sie ist kaum lächerlicher als die aristotelische Kasuistik der Kirche, die die „Substanz“ des Blutes mit dem Wein und den Leib mit dem Brot identifiziert, während die „Opfergaben“ sicher ein alkoholisches Getränk und eine Oblate bleiben. Ganz und gar nicht lächerlich war jedoch die Entscheidung von James Morris, sich als Frau zu identifizieren, und seine mühsame und kostspielige Umwandlung in Jan Morris. Ihre Erklärung in dem Buch Conundrum, dass sie sich immer wie eine Frau gefühlt hat, die im Körper eines Mannes gefangen ist, ist beredt und bewegend. Sie klingt erschütternd wahr und verdient unser tiefes Mitgefühl. Wir sprechen sie zu Recht mit weiblichen Pronomen an und behandeln sie in sozialen Interaktionen als Frau. Das Gleiche sollten wir mit anderen in ihrer Situation tun, mit ehrlichen und anständigen Menschen, die ihr ganzes Leben lang mit dem quälenden Zustand der Geschlechtsdysphorie zu kämpfen hatten.
Die Geschlechtsumwandlung ist eine mühsame Revolution - physiologisch, anatomisch, sozial, persönlich und familiär -, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Ich bezweifle, dass Jan Morris viel Zeit für einen Mann gehabt hätte, der sich einfach eine Kutte überstreift und verkündet: „Ich bin jetzt eine Frau.“ Für Dr. Morris war es eine zehnjährige Odyssee. Langwierige Hormonbehandlungen, einschneidende Operationen, die Neuordnung gesellschaftlicher Konventionen und persönlicher Beziehungen - wer diesen Schritt wagt, verdient gerade deshalb unseren tiefen Respekt. Und warum ist es so beschwerlich und einschneidend, so mutig, dass es diesen Respekt verdient? Eben weil das Geschlecht einfach nur binär ist! Das Geschlecht zu wechseln ist eine große Sache. Die Rasse zu ändern, mit der man sich identifiziert, ist im Vergleich dazu ein Kinderspiel, eben weil die Rasse bereits ein kontinuierliches Spektrum ist, das durch weit verbreitete Mischehen über viele Generationen hinweg so geworden ist.
Die „Rasse“ zu ändern, dürfte sogar noch einfacher sein, wenn man sich die modische Doktrin zu eigen macht, dass Rasse ein „soziales Konstrukt“ ist, das keine biologische Realität hat. Beim Geschlecht ist es, gelinde gesagt, weniger einfach. Selbst der linientreuste Soziologe könnte sich schwer tun zu argumentieren, dass ein Penis ein soziales Konstrukt ist. Die Gender-Theoretiker umgehen das lästige Problem der Realität, indem sie erklären, dass man das ist, was man fühlt, unabhängig von der Biologie. Wenn man sich als Frau fühlt, ist man eine Frau, auch wenn man einen Penis hat. Wenn Gefühle wirklich das Einzige sind, was zählt, sollte Rachel Dolezals Behauptung, sie fühle sich unabhängig von ihrer Biologie als Schwarze, zumindest ein winziges Fünkchen Mitgefühl, wenn nicht gar Akzeptanz verdienen.
Die binäre Natur des Geschlechts hätte Charles Darwin beinahe den Schlüssel zur Entdeckung der genetischen Gesetze geliefert, die heute korrekterweise Gregor Mendel zugeschrieben werden. Das, was wir als „Neo-Darwinismus“ (siehe unten) bezeichnen, hätte nicht bis zum zwanzigsten Jahrhundert warten müssen und wäre in der Tat einfach nur „Darwinismus“ - so nahe kam ihm der große Naturforscher. Und es war die binäre Natur des Geschlechts, die ihn dorthin brachte.
Darwin wurde durch einen anonymen Artikel in der North British Review aus dem Jahr 1867 beunruhigt, der sich später als Artikel von Fleeming (ausgesprochen „Flemming") Jenkin herausstellte, einem schottischen Ingenieur, der zufällig zusammen mit einem anderen führenden Kritiker Darwins, Lord Kelvin, dem bedeutenden Physiker, am transatlantischen Kabel arbeitete. Jenkins Argument war in den schrecklich rassistischen Begriffen verfasst, die Teil des intellektuellen Hintergrunds jener Zeit waren, daher werde ich es neutraler formulieren, um Ablenkung zu vermeiden. Ein neuer genetischer Typ (wir würden ihn heute als Mutant bezeichnen) könne langfristig nicht von der natürlichen Selektion begünstigt werden, so Jenkin, weil er überflutet würde. Ganz gleich, wie vorteilhaft sie anfangs auch sein mag, im Laufe der Generationen würde sie zu einem Nichts verwässert werden. Darwin war von diesem Argument überzeugt, und es ist eine Schande, dass er nicht mehr erlebt hat, wie der Irrtum aufgedeckt wurde. Jenkin und Darwin und alle anderen gingen damals fälschlicherweise davon aus, dass Vererbung „Vermischung“ bedeutet und dass Kinder eine Art flüssige Mischung aus Mutter und Vater sind: ein Zwischending, wie beim Mischen von Farbe. Wenn man schwarze mit weißer Farbe mischt, erhält man Grau, und keine noch so gute Mischung von Grau mit Grau kann das ursprüngliche Schwarz oder Weiß wiederherstellen. Deshalb, so das irrige Argument, kann die Selektion eine neue Mutation nicht so begünstigen, dass sie eine Population dominiert. Sie wird im Laufe der Generationen verdünnt und verschwindet.
Es hätte übrigens schon damals auffallen müssen, dass Jenkins Argument offensichtlich falsch ist. Wäre es richtig, müssten wir alle einheitlicher aussehen als die Generation unserer Großeltern - so wie wenn man Farbe mischt und sie dann noch einmal mischt. Jenkin hätte erkennen müssen, dass er nicht nur gegen Darwin argumentierte, sondern gegen die offensichtliche Realität.
Die „Mischvererbung“ ist falsch
Darwins Akzeptanz der Kritik und sein konsequenter Rückzug auf seine Überzeugungen ist einer von mehreren Gründen, warum die späteren Ausgaben von Die Entstehung der Arten der ersten Ausgabe unterlegen sind. Darwin hatte normalerweise beim ersten Mal Recht. Jenkin lag falsch, weil die „Mischvererbung“ falsch ist. Die Vererbung erfolgt nach dem Mendelschen Prinzip, was das genaue Gegenteil von Vermischung ist. Gene (wie sie jetzt genannt werden) sind partikulär. Die Vererbung ist digital, nicht analog. Das Mischen von Farbe ist eine völlig falsche Analogie. Die Wahrheit ist eher wie das Mischen von schwarzen und weißen Perlen. Die Perlen verschmelzen nicht zu einem grauen Fleck, sie behalten ihre schwarze oder weiße Identität. Jedes Gen eines Vaters oder einer Mutter wird entweder als einzelne, partikuläre Einheit an jedes Kind weitergegeben oder nicht. Im Laufe der Generationen nimmt die Häufigkeit eines Gens (in Form von Kopien) entweder zu oder ab. Farbe hat keine Häufigkeit.
Obwohl Mendels Werk zu Darwins Lebzeiten veröffentlicht wurde, hat Darwin es nie gelesen (sein Deutsch war ohnehin nicht sehr gut), und es gibt keinen Beweis dafür, dass Mendel selbst oder irgendjemand anderes seine tiefgreifende Bedeutung für die Evolutionstheorie erkannte, bis sowohl Darwin als auch Mendel tot waren. Mendels Werk wurde im frühen zwanzigsten Jahrhundert wiederentdeckt.
Der Irrtum der Vermischung wurde von Hardy und Weinberg unabhängig voneinander sofort mathematisch nachgewiesen. Und seine Bedeutung für die Evolution wird im ersten Kapitel von The Genetical Theory of Natural Selection von Sir Ronald Fisher, dem wohl größten Darwinisten seit Darwin, klar dargelegt. Fisher und andere entwickelten diesen Punkt zu dem, was zum bereits erwähnten Neo-Darwinismus wurde. Nach dem Neodarwinismus ist die Evolution eine Veränderung der Häufigkeit einzelner, partikulärer Gene in den Genpools der Bevölkerung.
Interessanterweise zitiert Fisher einen Brief Darwins an T. H. Huxley aus dem Jahr 1857, aus dem hervorgeht, dass er selbst kurz davor stand, die partikuläre Vererbung zu entdecken oder zumindest den Irrtum der „Vermischung der Vererbung“ zu bemerken:
Ich bin in letzter Zeit geneigt, sehr grob und undeutlich darüber zu spekulieren, dass die Fortpflanzung durch echte Befruchtung sich als eine Art Mischung und nicht als echte Verschmelzung zweier verschiedener Individuen oder vielmehr unzähliger Individuen erweisen wird, da jedes Elternteil seine Eltern und Vorfahren hat. Anders kann ich mir die Art und Weise nicht erklären, in der gekreuzte Formen in so hohem Maße auf Urformen zurückgehen. Aber das alles ist natürlich unendlich grob.
Aber selbst Fisher war nicht klar, wie nahe Darwin der unabhängigen Entdeckung der Mendelschen Vererbung kam, ja, dass er sogar mit Erbsen arbeitete, wie Mendel es tat. In einem Brief aus dem Jahr 1866 an A. R. Wallace, den Mitentdecker der natürlichen Selektion, schreibt Darwin:
Mein lieber Wallace ...
Ich glaube, Du verstehst nicht, was ich mit der Nichtvermischung bestimmter Sorten meine ... ein Beispiel wird es erklären. Ich kreuzte die Painted Lady und die Purple Sweetpeas, die sehr unterschiedlich gefärbte Sorten sind, und erhielt, sogar aus der gleichen Schote, beide Sorten perfekt, aber keine dazwischen. Etwas von dieser Art, so denke ich, muss zumindest bei Ihren Schmetterlingen und den drei Formen von Blutweiderich vorkommen; obwohl diese Fälle so wunderbar aussehen, weiß ich nicht, ob sie wirklich so sind, als ob jedes Weibchen auf der Welt unterschiedliche männliche und weibliche Nachkommen produziert ...
Glauben Sie mir, mit freundlichen Grüßen
Ch. Darwin
Die fettgedruckte Hervorhebung ist von mir. Damit wollte Darwin zum Ausdruck bringen, dass das Geschlecht einfach nur binär ist. Er war kurz davor, dies zu verallgemeinern auf den Mendelschen Punkt, dass die Vererbung selbst einfach nur binär ist: Jedes Ihrer Gene stammt entweder von Ihrem Vater oder Ihrer Mutter. Kein Gen ist eine Mischung aus väterlichem und mütterlichem Erbgut. Jedes Gen wird entweder an die nächste Generation weitergegeben oder nicht. Gene mischen sich nicht wie Farbe. Genauso wenig wie das Geschlecht, und das hätte Darwin fast den entscheidenden Hinweis gegeben.
Der Grund dafür, dass sich die Vererbung oft zu vermischen scheint - der Grund dafür, dass wir eine Mischung aus väterlichem und mütterlichem Erbgut zu sein scheinen, und der Grund dafür, dass rassische Mischehen zu einem Spektrum von Zwischenformen führen - sind Polygene. Zwar ist jedes Gen partikulär, aber viele Gene tragen jeweils ihren eigenen kleinen Effekt bei, z. B. bei der Hautfarbe. Und all diese kleinen Effekte summieren sich zu dem, was wie ein Zwischenprodukt aussieht. Es ist nicht wirklich wie das Mischen von Farbe, aber es sieht so aus, wenn genügend partikuläre Polygene ihre kleinen Wirkungen summieren. Wenn man Perlen mischt, sieht es auch so aus, wenn die Perlen klein und zahlreich sind und man sie aus einer gewissen Entfernung betrachtet.
Wie auch immer, der Punkt, der für diesen Aufsatz relevant ist, ist, dass die partikuläre, mendelsche, alles-oder-nichts-, nicht-vermischende Vererbung Darwin und Jenkin und allen anderen ins Gesicht starrte. Es starrte ihnen die ganze Zeit ins Gesicht, in Form der nicht-vermischenden Vererbung von Geschlecht. Geschlecht ist einfach nur binär. Männlich versus weiblich ist eine der erstaunlich wenigen echten Dichotomien, die zu Recht dem Vorwurf der „Die Tyrannei des unsteten Geistes„ entgehen.
Diskutiert.
Übersetzung: Jörg Elbe
Anmerkungen
[1] Ich bin mir bewusst, dass Rebecca Tuvel verunglimpft wurde, weil sie genau dieses Diskussionsthema aufgeworfen hat, indem sie das tat, was akademische Philosophen tun sollten, nämlich zu denken. Ich bin mir auch nur zu gut des kunstvoll angelegten Minenfeldes aus sich ständig weiterentwickelnden Neologismen und wuchernden Pronomen bewusst, durch das und um das herum Akademiker in einigen geisteswissenschaftlichen Fakultäten schleichen müssen. Da ich in solchen Dingen nie sehr geschickt war, begnüge ich mich damit, als wohlmeinender Wissenschaftler und Liebhaber der englischen Sprache sich dem Gewahr zu werden, während ich es geradeheraus weiter beackere. Eine nützliche Karte des mit Minen übersäten Hindernisparcours liefert die bewundernswerte Kathleen Stock in Material Girls: Why Reality Matters for Feminism
[2] Die von Anne Fausto-Sterling genannte Zahl von 1,7 Prozent Intersexuellen wird oft wiederholt. Sie wird durch die fragwürdige Einbeziehung des Klinefelter-Syndroms, des Turner-Syndroms und der spät einsetzenden Nebennierenhyperplasie von den realistischeren 0,018 Prozent aufgebläht. Ob man nun 1,7 oder 0,018 Prozent nimmt, die Zahl ist immer noch winzig, wenn man sie in die Mitte einer Häufigkeitsverteilung stellt, wo sie von riesigen Spitzen auf beiden Seiten in den Schatten gestellt wird. Die Verteilung ist überwältigend bimodal und das Geschlecht überwältigend binär.
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